Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
Frankreich
Azrael kicherte leise vor sich hin, als er in Patricia Kaplans Wagen den ausgefahrenen, verschlammten Waldweg im Märchenwald entlang rumpelte. Äste brachen unter den Reifen des Wagens. Außerhalb der Lichtkegel der Schweinwerfer war es stockfinster. Er kam an der Spitzkehre vorbei, wo der Weg zu dem seit einigen Jahren nicht mehr genutzten psychiatrischen Kinderkrankenhaus abzweigte. Seine Passagierin, die die gesamte Fahrt über bewusstlos gewesen war, rührte sich zum ersten Mal.
Sie drehte den Kopf in seine Richtung. „Wohin … bringst … du mich?“, lallte sie mit schwerer Zunge.
„Ins Haus des Todes, meine Liebe“, antwortete der Mann, den sie den Facebook-Killer nannten, ausgesucht höflich. „Die Zeugin ist bereit für dich, sie harrt deiner. Und dein Kreuz wartet ebenfalls schon.“
21.3.2011, 02:12
Préfecture de Police
Rue de la Cité, Paris
„Dann haben unsere Pathologen vielleicht bei Léa Gerzon ein wenig danebengelegen – oder das lange Hängen draußen im Bois de Boulogne hat die Bestimmung des Todeszeitpunktes einfach erschwert“, mutmaßte Mafro und rieb sich das Gesicht, wie er es immer tat, wenn er sehr übermüdet war. „Sie ist dann vermutlich nicht im Frühsommer des Jahres 2010 gestorben, wie Raphaël Zach annahm, sondern auch am 3. März, nämlich wieder ein Jahr später.“
„Genau das, und jetzt kommen wir an den Punkt, wo er die Kontrolle verliert“, stimmte Geza zu. „Ich hatte Monsieur Manet auf dessen Bitten hin nämlich mein vorläufiges psychologisches Profil lesen lassen, ehe ich es Ihnen allen vorgetragen habe. Er fühlte sich provoziert, verlor die Nerven und schlug sofort wieder zu. Diesmal aber rief er Sie telefonisch auf den Plan – natürlich ohne Ihnen wirklich eine Chance zu lassen, rechtzeitig zur Rettung des Opfers aufzukreuzen –, um sich seine Allmacht zu beweisen. Damit Sie auch ja keine Chance hatten, sie zu retten, schlug er seinem Opfer, das laut dem von ihm gewählten Bibeltext eine Art Brandopfer sein sollte, vorsichtshalber lieber mal den Schädel ein. So kam es zum außerplanmäßigen Tod der Stewardess Michelle Tourrende.“
Plötzlich durchzuckte Mafro eine Idee. Er hob die Hand, um die Wölfin kurz zu unterbrechen, zückte sein Handy und wählte kurz entschlossen und ohne Rücksicht auf die Uhrzeit Dr. Eude an.
„Nadine …? Ja, ich weiß wie spät es ist. Hast du schon geschlafen? … Okay, tut mir leid. Aber es geht um Manet. Sag mal, du warst doch damals als Einzige von uns allen zu seiner Hochzeit eingeladen, erinnere ich mich da richtig? Hm, ja. Warst du auch dort?“
„Du bist irre, Mafro“, murmelte Dr. Eude schlaftrunken in ihr Handy. „Du rufst mich allen Ernstes mitten in der Nacht an, um mich das zu fragen?“
Mafro überging ihren Protest. „Hör zu, Nadine, bei Hochzeiten gibt’s doch üblicherweise Programmpunkte – irgendwelche peinlichen Spielchen, aber eben auch Musikdarbietungen. Erinnerst du dich, ob es bei den Manets irgendetwas in der Art gab?“
Eine Weile war es still in der Leitung. Dann, nach einer Zeitspanne, die Mafro vorkam wie eine Ewigkeit, sagte Dr. Eude, die mit einem Mal viel wacher wirkte: „Ja, gab es. Da ist ein ziemlich begabter klassischer Bariton aufgetreten, den Madame Manet in ihrer Anmoderation seiner Darbietung als ihre erste große Liebe vorstellte. Ich glaube, mich zu erinnern, dass ich das damals als sehr unpassend empfand … irgendwie mehr intime Informationen, als ich hätte haben wollen. Ich erinnere mich auch, dass Manet den Saal verließ – er wollte den Typen offenbar nicht singen hören. War übrigens insgesamt eine echt grauenvolle Hochzeit, das.“
„Kannst du dich an den Namen des Mannes erinnern, Nadine?“, fragte Mafro in
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