Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
und in seine Richtung genickt, als er hereinkam, und stellte gerade ihr Glas nach dem ersten Probeschluck wieder ab.
Mafro nickte. „Mögen Sie Côtes du Rhône?“, fragte er, um das kommunikative Eis zu brechen. Immerhin hatte sie auf der gesamten Fahrt hartnäckig geschwiegen.
„Nein“, knurrte sie dann um ihre selbstgedrehte Kippe herum, die sie sich in seiner Abwesenheit angesteckt haben musste, ohne sich einen Deut darum zu scheren, ob ihn das Rauchen in seiner Wohnung störte. „Zumindest den hier nicht. Mehr Farbe als Aroma oder Bukett. Außerdem macht er blaue Lippen. Aber Sie haben nichts Besseres im Haus, soweit ich das auf die Schnelle überblicken konnte, und er passt irgendwie zum Hauptgang.“
Er sah sie irritiert ob so viel Offenheit an.
„Ah … ja“, antwortete Mafro nicht sonderlich intelligent, drehte seinen Schreibtischstuhl – einen kunstledernen Chefsessel vom Leclerc um die Ecke – herum und setzte sich ihr gegenüber.
Er nahm einen viel zu großen Schluck Wein, versuchte vergeblich, durch eine optische Musterung über den Glasrand hinweg aus dieser in seine profanen Gefilde herniedergestiegenen Honig-Lichtgestalt schlau zu werden und sagte dann so cool und professionell wie möglich:
„Ich höre.“
„Nein“, sagte sie mit einem leisen Lächeln. „Sie zuerst. Wir haben noch siebzehn Minuten, bis die Lasagne pingt. Nutzen Sie sie weise. Erzählen Sie mir von sich, Mafro. Ich darf Sie doch Mafro nennen?“
Mafro ertappte sich bei einem fast eifrigen Nicken. ‚Reiß dich zusammen, Alter‘, sagte er sich. Lagezusammenfassung: Da saß also eine wunderschöne Frau in seiner ziemlich versifften Bude, von der er rein gar nichts wusste. Sie wirkte wie ein Fremdkörper hier drinnen, wie ein schönes, elegantes Wesen von einem anderen Stern, behauptete aber, seine Personalakte zu kennen. Ganz egal, ob das zutraf oder nicht, sie wusste jedenfalls verdammt viel über ihn. Da gab es nur eins: locker bleiben und mitspielen, bis die Situation sich klärte. Er räusperte sich und fragte:
„Was wollen Sie wissen?“
„Erzählen Sie mir von Kyl.“
Mafro wurde bleich. Mit zitternder Hand stellte er sein Weinglas auf den Couchtisch.
„Was wissen Sie von Kyl?“
„Leider nicht viel. Aber ich wüsste gern mehr, Monsieur Fronzac.“ Kein Mafro mehr … „Ich bin recht sicher, dass er beziehungsweise die tragischen Ereignisse von damals schuld sind an dem wirklich bejammernswerten Zustand, in dem Sie sich befinden.“
Mafro saß mit offenem Mund da; die Frau ihm gegenüber fuhr ungerührt fort:
„Einiges habe ich natürlich vor meiner Reise hierher im Lesesaal unserer Universität den Zeitungen von damals entnommen. Ich reise ungern schlecht vorbereitet. Aber ich möchte es gern aus Ihrem Mund hören.“
Mafro zögerte. Andererseits – was sollte schon passieren? „Aber dann sind Sie dran, mir zu erklären, wer Sie sind und was Sie von mir wollen“, sagte er.
„Danach essen wir erst mal. Aber dann bin ich dran, ja“, nickte sie ernst.
„Abgemacht?“
„Abgemacht“, sagte sie. „Quid pro quo.“
Mafro hatte nie Lateinunterricht genossen. Aber er hatte
Das Schweigen der Lämmer
gesehen. „Quid pro quo …“ Hannibal Lecter hatte das auch immer gesagt. Also nahm er einen weiteren großen Schluck Wein, holte tief Luft, kippte den Chefsessel nach hinten und begann zu erzählen.
„Ich weiß es noch alles ganz genau, so als wäre es erst gestern gewesen.
Es war eine warme Sommernacht, im August letzten Jahres. Ich saß da am Schreibtisch“, Mafro deutet mit dem Daumen hinter sich zu einer riesigen Glasplatte, die auf zwei Stahlböcken ruhte und so einen übergroßen Arbeitsplatz bildete. Er war überladen mit einer unübersichtlichen Anordnung scheinbar willkürlich verkabelten
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