Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
baumelte.
„Sieht nicht aus wie ein Einbruch“, murmelte sie. „Darf ich?“
Commissaire Ungerer wies ins Innere des Pavillons und reichte ihr wortlos ein paar Einweg-Papierüberschuhe, wie sie auch die Kollegen von der Spurensicherung daheim benutzten. Geza streifte sie über ihre schwarzen Stiefeletten und trat an ihm vorbei ein. Ungerer betätigte einen Lichtschalter innen neben der Tür.
Geza nahm zuerst den Geruch wahr, die vertraute olfaktorische Mischung aus den diversen Chemikalien, die die Tatortermittler zum Einsatz brachten, und dem unverwechselbaren Gestank des Todes. Geronnenes Blut, entleerte Eingeweide, Urin und Angst.
Die Wölfin sah sich um: Sie stand in einem augenscheinlich lange ungenutzten Stahlcontainer, dessen Wände ringsum vom Boden bis zur Decke mit billigen Stahlregalen bedeckt waren. Der abseits gelegene Pavillon war zum Lagerraum umgerüstet worden, aber hier lagerte nichts. Geza ging ein paar Schritte hinein. Wie so häufig an Tatorten versank sie ganz in ihrer Innenwelt, war nur noch Wahrnehmung, registrierte, speicherte, um später in Ruhe das Gesehene auszuwerten und zu Schlussfolgerungen zusammenzusetzen.
Es knirschte unter ihren Füßen, als Geza in ihren Überschuhen vorsichtig über getrocknetes Laub, Betonstaub und allerlei Unrat stieg. An der gegenüberliegenden Wand war ein Zugsystem aus Stahlseilen, Umlenkrollen, Befestigungsklammern und Halogenspots montiert, das sich über die gesamte Rückwand und die Hälfte der Decke erstreckte. Geza hatte Ähnliches sowohl auf der Expo in Hannover als auch auf der Documenta in Kassel gesehen. Viele moderne Museen verwendeten solche oder ähnliche Systeme, wenn es galt, im Rahmen von Installationen oder vergleichbaren Kunstpräsentationen schwere Ausstellungsstücke von Decken und Wänden abzuhängen. Dahinter an der Wand befand sich eine rohe Lattenverschalung, die offenbar von irgendeinem Ausstellungsprojekt übrig oder auch nie fertiggestellt worden war.
Der Mann, der daran hing, war unübersehbar tot.
Geza trat dicht vor den toten Geliebten ihrer Freundin, der einen sehr unerfreulichen Anblick bot – nicht zuletzt, weil er kopfunter an der Lattenverschalung hing und sich alles Blut in seinem Kopf gesammelt hatte, was diesem das Aussehen eines blauvioletten Ballons verlieh. Eine schwärzlich-rote Zungenspitze lugte aus einem Mundwinkel. Nicolas de Ségur war nackt bis auf eine weiße Calvin-Klein-Retrounterhose mit Eingriff, die er im Tod besudelt hatte. Sein gesamter winterblasser, leicht übergewichtiger, jetzt bläulich verfärbter Leichnam war über und über mit winzigen Schnitten übersät, die Geza an eine Freundin erinnerten ... sie war Selbstverletzerin gewesen und hatte sich mit Rasierklingen geritzt. Nun, der tote Finanzberater hatte sich das definitiv nicht selbst angetan. Die Schnitte waren zwar oberflächlich, hatten aber stark geblutet, so dass ein dünner rötlicher Film über das bläuliche Weiß verschmiert war. Auch auf dem schmutzigen Betonboden unter dem Kopf des Toten hatten sich mittlerweile geronnene, kleine Blutlachen gebildet; Geza schrieb sie den zahlreichen Ritzen in dem markanten Gesicht de Ségurs zu.
Die Arme des Leichnams waren seitwärts ausgestreckt, die Beine nach oben gestreckt und leicht gespreizt. Durch die nackten Füße und die Handflächen des Toten waren Stahlnägel getrieben, die annähernd so dick waren wie Gezas Daumen und sich mit solcher Wucht in die Latten gebohrt hatten, dass sich rings um die Stellen des Eindringens spinnennetzförmig nach außen strebende Rissmuster im Holz gebildet hatten. Eine obszöne,
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