Der Facebook-Killer
wie erstarrt waren. Bavarois warf ihr einen warnenden Blick zu, wohl um sie zu erinnern, dass sie noch immer mit der schweren Hypothek ihres Medien-Alleingangs herumlief.
Geza Wolf wandte ihrer Kollegin ungerührt das Gesicht zu. „Was ich sagen wollte, habe ich gesagt, Madame Eude – nämlich, dass unser Täter über Kenntnisse verfügt, die ihn ausgesprochen gefährlich machen. Er hat Insiderwissen über die Ermittlungsarbeit der Pariser Polizei. Er kennt sich mit diversen Tötungsmethoden aus und weiß, wie man Brände legt. Außerdem spricht die Tatsache, dass die hiesige Spurensicherung zumindest meiner laienhaften Ansicht nach zwar hervorragende Arbeit leistet, aber dennoch außer Stande ist, uns etwas irgendwie Verwertbares zu liefern, in meinen Augen auch dafür, dass er etwas von Beweissicherung und dergleichen versteht. Er ist äußerst gut darin, seine Spuren zu verwischen oder gar nicht erst welche zu hinterlassen.“
„Wir haben im Bois de Boulogne nach Reifenspuren gesucht“, warf ein dicker, sonst immer sehr fröhlicher Kollege von der Spurensicherung ein. „Aber inzwischen war Winter, es lag fett Schnee … keine Chance. Wir haben das Seil, mit dem er die Frau im Bois erhängt hat, auf Hauptpartikel untersucht – Fehlanzeige. Er hat definitiv Handschuhe getragen. Manet hat versucht, über seine IP-Adresse an ihn ranzukommen, aber erfolglos. Er hat mir etwas erklärt, in dem viele Computerchinesisch-Fachausdrücke vorkamen. Ich hab’s nicht kapiert, aber jedenfalls muss der Kerl sich mit Onlinekram hervorragend auskennen.“
„An keinem Opfer konnten wir DNA-Spuren ausmachen“, warf Dr. Zach ein. „Was immer ihn treibt, das primäre Motiv ist nicht sexueller Art. Er vergewaltigt sie nicht und onaniert nicht auf die Leichen.“
„Vielleicht hat er einfach nur Glück?“, warf der Zugführer von der Feuerwehr ein, der ganz hinten lässig an der Tür lehnte. „Zumindest in dem Fall, in dem er Feuer als Mordwaffe gewählt hat, also bei“, er warf mit gerecktem Hals einen Blick auf das immer dichter behangene Whiteboard hinter Geza, „Mademoiselle Tourrende, da könnten durchaus auch Beweise den Flammen zum Opfer gefallen sein.“
Eine Gendarmin, die wohl die Hoffnung auf einen reinen Pressehype noch nicht aufgegeben hatte, hob die Hand und fragte, nachdem die Wölfin ihr mit einem kurzen Nicken das Wort erteilt hatte: „Glauben Sie denn wirklich, dass es sich um einen Serientäter handelt, Frau Dr. Wolf? Hier bei uns vor der Haustür, in Paris? Ich dachte immer, das ist eine Erfindung der Thrillerschreiber in Hollywood …“
Geza musterte die dralle Rothaarige in der frisch gestärkten Uniformbluse nachdenklich. Sie saß ganz weit vorn und hatte sich eifrig Notizen auf einem kleinen Spiralblock gemacht.
„Zumal er ja zwischen sogar das Geschlecht seiner Opfer gewechselt hat“, warf ein anderer Uniformierter vorwitzig ein. „Ich habe Ihr Buch gelesen, Madame Wolf, und da steht drin, dass Serienkiller das so gut wie nie tun – und ausgerechnet unserer soll da eine Ausnahme bilden? Meinen Sie wirklich?“
Geza senkte den Kopf, starrte auf ihre Schuhspitzen und nagte auf ihrer Unterlippe herum. Für einen Moment verlor sie sich in der Erinnerung an den Anblick von Danielles Leiche. Dann schob sich das Bild eines anderen Toten darüber. Karl Müller. Das Schwein mit dem Loch in der Stirn.
„Frau Doktor?“, riss die Stimme der Rothaarigen sie in die Gegenwart zurück. „Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“
Das hatte sie in der Tat nicht. Sie warf der uniformierten Rothaarigen einen Blick zu, der dazu führte, dass diese wieder auf ihren Stuhl niedersank.
Geza spürte René Bavarois’ erwartungsvollen Blick auf sich ruhen. Sie durfte das Vertrauen, das er in sie setzte, nicht enttäuschen.
„Madame Wolf?“, meldete er sich beinahe sanft zu Wort. „Mademoiselle Lorris hat recht …“
Die Angesprochene richtete sich wieder etwas selbstbewusster auf ihrem Stuhl auf und nickte Bavarois dankend zu.
„Nun gut“, dachte Geza.
Rache. Das war sein Motiv. Mit Rache kannte die Wölfin sich aus … sie hatte sich ihre geholt. Sie wusste aus erster Hand, dass Rachedurst schlimmer als jedes physische Bedürfnis nach Flüssigkeit war.
Doch das sagte sie nicht, sie räusperte sich nur und wandte sich zu Bavarois um. „Ich habe Grund zu der Annahme, dass mindestens vier Frauenmorde im Großraum Paris im Zeitraum der letzten knapp zwei Jahre miteinander in Verbindung stehen –
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