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Der Fälscher aus dem Jenseits

Der Fälscher aus dem Jenseits

Titel: Der Fälscher aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Saint-Marie-Madeleine ist seltsam ausgeschmückt. Das Weihwasserbecken ruht auf einem Teufel, der als Pfeiler dient. Diese wunderliche, fast morbide Komposition aus bemaltem Gips mit Glasaugen hinterlässt einen unbehaglichen, fast grausigen Eindruck. Die Heiligenfiguren, die die übrige Kirche zieren, sind von derselben Machart: Gips mit Glasaugen. Auch sie flößen Angst ein. obwohl das eigentlich nicht beabsichtigt ist. Sie sind zu seltsam realistischen Haltungen erstarrt und mustern den Besucher mit starren Augen. Fast wie lebende Tote.
    So sieht also die Bühne aus und die Geschichte, die sich auf ihr abgespielt hat, ist nicht minder ungewöhnlich. Immerhin spricht man noch ein Jahrhundert später von ihr.
     
    Die Geschichte von Rennes-le-Château ist eigentlich die des Abbé Saunière.
    Das Leben, das François Béranger Saunière geführt hat, war genauso erstaunlich wie die ganze Person selbst. Er wurde 1852 geboren und zeigte in der Schule eine herausragende Begabung. Im Priesterseminar von Narbonne war er sogar der beste Schüler. Er sprach nicht nur fließend Latein und Griechisch, sondern auch Hebräisch. Wegen seiner Intelligenz blieb er nach der Priesterweihe im Seminar, allerdings als Dozent.
    Leider hatte Abbé Saunière einen großen Fehler, nämlich seine Ideen, »fortschrittliche« Ideen, wie man damals sagte. Und die Kirche war nicht gerade liberal eingestellt.
    Also stellte François Béranger Saunière für die jungen Köpfe, die er eigentlich ausbilden sollte, eine Gefahr dar und der Bischof griff streng durch. Er schickte den Abbé in eine der ärmsten Gemeinden seiner Diözese, nämlich in die ödeste Ecke der Corbières, nach Rennes-le-Château.
    In Rennes-le-Château fand Abbé Saunière eine verfallene Kirche vor, während sich die Finanzen der Gemeinde in genauso erbärmlichem Zustand befanden. Um seinen Aufgaben nachzukommen, verfügte er alles in allem über 600 Franc, die sein Vorgänger zurückgelassen hatte, und 518 Franc, die von einer Betschwester gestiftet worden waren.
    Dies hielt ihn nicht davon ab, sein Hirtenamt mutig anzutreten. Doch schon von Anfang an zeigte sich, dass er kein gewöhnlicher Geistlicher war. Als Haushälterin stellte er eine junge Fabrikarbeiterin, Marie Denardaud, ein. Sie hatte noch kein biblisches Alter erreicht, sondern befand sich eher im teuflischen Alter. Dass sie gerade erst achtzehn geworden war, war François Béranger Saunière völlig egal. Er scherte sich einen Dreck darum, ihr Verhältnis, das nicht auf sich warten ließ, geheim zu halten. Er hatte nun einmal in jeder Beziehung fortschrittliche Ideen, nicht nur auf der politischen Ebene. Diese eine brachte ihm übrigens Glück. Der dreißigjährige, gut gebaute Mann, dessen Gesicht sowohl Autorität als auch Lebensfreude ausstrahlte, und das lebhafte, ausgelassene Mädchen bildeten ein hübsches Paar, das von den Dorfbewohnern auf die Dauer akzeptiert wurde.
    Alles begann im Dezember 1891. Die Gemeinde hatte Abbé Saunière schließlich ein Darlehen über 1000 Franc für die Reparatur des Hochaltars bewilligt, eine eher bescheidene Summe, die im Vergleich zu seinen Einkünften jedoch astronomisch war. Im ganzen vorangegangenen Jahr hatte die Kollekte nicht mehr als 25 Franc eingebracht.
    Die Maurer waren zu zweit. Sie begannen damit, den Altar abzunehmen, eine einfache Steinplatte, die auf einem Pfeiler aus der Westgotenzeit lag. Sie riefen sich Aufmunterungen zu und stemmten sich mit aller Kraft auf die Brechstangen. Der Mörtel gab nach. Sie hoben den Stein an, drehten ihn um und nun war es François Béranger Saunière, der einen Schrei ausstieß. Auf der Rückseite der Steinplatte war ein Relief eingemeißelt. Ein seltsames Motiv, das einen Mann zu Pferde mit einem Zepter zeigte. Vor allem aber war der Pfeiler hohl.
    Der Abbé beugte sich vor. Drinnen lagen drei kleine Futterale aus Holz, in denen Pergamente steckten. Hastig wandte er sich zu den Arbeitern um.
    »Ihr könnt gehen. Ich brauche euch nicht mehr.«
    »Wir haben doch gerade erst angefangen.«
    »Nun geht schon. Ich komme jetzt allein zurecht.«
    »Die Dinger, die wir da gefunden haben...«
    »Das sind Reliquien.«
    Die beiden Maurer wussten, dass mit dem Pfarrer nicht zu spaßen war, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, doch waren sie so verwirrt, dass sie trotzdem protestierten: »Der Bürgermeister hat uns für zwei Tage bezahlt. Was sollen wir jetzt machen?«
    Der Pfarrer schob sie aus der Kirche: »Trinkt einen

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