Der Fälscher aus dem Jenseits
Ablasshandels beziehungsweise der Simonie, wie so etwas in Kirchenkreisen genannt wurde. Mit anderen Worten: Er soll Gläubigen für Geld das Paradies versprochen haben. Dies hinderte den Abbé jedoch nicht daran, als gewöhnlicher Bürger in Rennes-le-Château zu bleiben und dasselbe Leben zu führen wie zuvor. Auf eigene Kosten nahm er sich sogar die besten Anwälte seiner Zeit, um beim Vatikan Berufung einzulegen. 1915 bekam er dadurch seine Pfarrei zurück.
Leider konnte François Béranger Saunière seinen letzten Traum, eine Kapelle mit Taufbecken zu bauen, nicht mehr verwirklichen. Er starb unerwartet im Januar 1917. Marie Denardaud hatte den seltsamen Einfall, seine Leiche in seinem dunkelroten Plüschsessel mit den vergoldeten Eicheln auszustellen. Alle Bewohner von Rennes-le-Château pilgerten an ihm vorbei und nahmen dabei die Eicheln als Reliquien mit.
Bei der Eröffnung seines Testaments hoffte man, das ganze Ausmaß seines Vermögens zu erfahren beziehungsweise einen Hinweis auf das Versteck des Schatzes zu erhalten. Doch stellte sich zur grausamen Enttäuschung aller heraus, dass er keinen roten Heller mehr besaß. Seine ganze Habe, das heißt die von ihm errichteten geschmacklosen Gebäude, vermachte er Marie Denardaud. Auf einmal stand sie im Mittelpunkt des Interesses, denn nun war sie die Einzige, die wusste, wo sich der Schatz befand. Übrigens sagte Marie von Zeit zu Zeit, wie um die Neugier anzufachen: »Eines Tages erzähle ich euch, wie man mächtig wird...« Doch wenn sie auch wusste, wo sich der Schatz befand, so stand zumindest fest, dass sie ihn nicht für sich selbst ausgab. Die sechsunddreißig Jahre, die sie nach dem Tod des Pfarrers noch lebte, verbrachte sie nicht gerade im Luxus. Sie war sogar knapp bei Kasse und verkaufte schließlich ihren ganzen Besitz auf Rentenbasis. Obwohl man ein Tonband neben ihr Totenlager stellte, starb sie, ohne die geringste Enthüllung zu machen. Das Geheimnis um den Schatz von Rennes-le-Château blieb damit ungelöst.
Hier endet die Geschichte. Seit dem Tod von Abbé Saunière hat man mehrere Bücher und einige Dutzend Artikel über Rennes-le-Château geschrieben. Dadurch erlangte dieses abgeschiedene Dorf in den Corbières weit über die Grenzen Frankreichs hinaus Berühmtheit. Zu Dutzenden tauchten dort falsche Touristen auf, die so taten, als ob sie sich für die schöne Landschaft oder die Baudenkmäler interessierten, die sich jedoch hauptsächlich nachts mit Spaten oder Metalldetektoren in der Umgebung zu schaffen machten. In allen Büchern, die von verborgenen Schätzen handeln, ist seitdem immer mindestens ein Kapitel Rennes-le-Château gewidmet.
Trotzdem gehört die Geschichte des Abbé Saunière eher in unser Buch über große Betrügereien, sehr zum
Missfallen aller sensationslüsternen Leser. Der Abbé hatte nämlich alles frei erfunden. Die Wahrheit, so wie man sie heute rekonstruieren kann, übertrifft jede Vorstellungsgabe, weil der Geistliche einen teuflischen Einfallsreichtum entwickelt hat.
François Béranger Saunière war nicht nur ein unkonventioneller Geistlicher, der sich gern ein dynamisches Image gab. Er hatte auch einen großen Fehler: Er war geldgierig. Darum praktizierte er wirklich die Simonie, das heißt den Ablasshandel.
Ende des 19. Jahrhunderts waren die Menschen noch sehr fromm, vor allem auf dem Lande. Wenn ihr letztes Stündlein nahte, oder oft auch schon vorher, waren viele bereit, einem Priester, der ihnen gegen klingende Münzen einen Platz im Paradies versprach, eine Menge zu bezahlen.
François Béranger hatte keine Skrupel, auf diese Weise Geld anzunehmen. Nur, wie sollte er das rechtfertigen, wo sich bei seinem Amtsantritt weniger als eintausendzweihundert Franc in der Gemeindekasse befunden hatten und er von seinen Schäflein angeblich nur fünfundzwanzig Franc im Jahr erhielt?
Genau diese Frage stellte er sich, als Gott im Dezember 1891 plötzlich ein Wunder bewirkte. Die Arbeiter brachten unter dem Hauptaltar alte Pergamente ans Licht. Dank seiner Geistesgegenwart begriff der Pfarrer von Rennes-le-Château sofort, wie er diesen Vorfall für sich ausnutzen konnte. Er verscheuchte die Arbeiter und sagte über die Fundstücke nur: »Das sind Reliquien.«
Und das Beste ist, dass er damit durchaus die Wahrheit sagte! Wenn man früher einen Altar auf Säulen stellte, höhlte man eine Säule — auch »Gruft« genannt — aus.
In ihr hinterlegte man Gebeine von Heiligen zusammen mit einem Pergament
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