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Der Fälscher aus dem Jenseits

Der Fälscher aus dem Jenseits

Titel: Der Fälscher aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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gerade noch Zeit, seinen Mitarbeiter, Abbé Gorel, anzuweisen, die »rote Mappe zu vernichten«, die Mappe mit dem ganzen Pseudo-Briefwechsel der Königin. Dann stieß ihn der Marquis de Breteuil vor sich her und riss die Tür auf. An diesem Feiertag war der Hofstaat, der von nichts wusste, davor vollzählig versammelt und wartete auf das Erscheinen des Königs. Breteuil wandte sich an den Hauptmann der Leibgarde: »Verhaften Sie den Herrn Kardinal!« Wäre ein Blitz zwischen den Höflingen eingeschlagen, so hätte dies keinen größeren Schreck hervorgerufen. Die Sache erregte gewaltiges Aufsehen. Wochenlang sprach man von nichts anderem, nicht nur in ganz Frankreich, sondern, wie Marie Antoinette es sich gewünscht hatte, in ganz Europa.
    Was die Polizeiarbeit anging, stieß man auf keine Schwierigkeiten. Man fand Jeanne de La Motte-Valois in Bar-sur-Aube, wo sie sich nicht im Geringsten versteckte. Man ließ ihr genug Zeit, die flammenden Briefe, die der Kardinal an Marie Antoinette geschrieben hatte, zu verbrennen, und schickte sie am 18. August in die Bastille. Bei ihrem Verhör leugnete sie alles und schob die Schuld auf Cagliostro und Mademoiselle Oliva, die ihr bald in der Bastille Gesellschaft leisteten. Der Graf de La Motte-Valois befand sich zu der Zeit in London, um die letzten Diamanten zu verkaufen. Die Engländer freuten sich so sehr über diese Affäre, die Frankreich in Verlegenheit brachte, dass sie seine Auslieferung verweigerten.
    Obwohl die Dinge völlig eindeutig waren, beschloss Madame de La Motte-Valois, zu ihrer Verteidigung alles auf den Kardinal zu schieben.
    »Monsieur de Rohan hat das Halsband gestohlen. Auf seinen Befehl hin haben wir die Diamanten verkauft.« Die Minister waren der Ansicht, dass es besser sei, die Affäre zu vertuschen oder sie zumindest allein auf die strafrechtliche Seite zu beschränken, sie als gewöhnlichen Fall von Betrug zu behandeln. Doch wieder beschwor Marie Antoinette in ihrem Rachedurst auf Rohan eine Katastrophe herauf. Pausenlos setzte sie ihrem Mann zu: »Das ist eine politische Affäre. Sie muss vom Parlament abgeurteilt werden.«
    Schließlich bekam sie ihren Willen und das Parlament von Paris saß über Kardinal Rohan zu Gericht. Damit grub sie sich selbst eine Grube! Das Parlament, das immer mit dem Königtum in Konflikt lag, ließ sich diese Gelegenheit einer glänzenden Revanche natürlich nicht nehmen. Darin wurde es vom ganzen Volk unterstützt, das diese Frau, die es nicht mehr »die Königin«, sondern nur noch »die Österreicherin« nannte, förmlich hasste. Wie bitte? Sie kauft sich für 1 600 000 Livres ein Halsband, während in der Stadt und auf dem Land die Armen verhungern! Sie lässt sich von einem Kardinal den Hof machen und gewährt ihm nachts heimlich ein Stelldichein? Der Zorn grollte.
    Ein Mitglied des Parlaments mit fortschrittlichen Ideen — die ihn nicht davor bewahrten, 1794 guillotiniert zu werden —, rief mit Scharfblick: »Welch große, glückliche Affäre! Lauter Dreck auf Bischofsstab und Zepter! Was für ein Triumph für die Ideen der Freiheit!«
    Der Hof selbst tat ein Übriges. In diesem Milieu, in dem man sich die Zeit mit Eifersüchteleien und gegenseitigem Hass vertrieb, kamen die schlimmsten Verleumdungen in Umlauf. Die Verhaftung des Kardinals schilderte man als Ausgeburt gräulicher königlicher Willkür. Man behauptete, die Königin habe vom Kauf des Halsbands gewusst. Warum sonst sollte sie das Schreiben Böhmers verbrannt haben?
    Am 22. Mai 1786 trat das Parlament von Paris zusammen, um über die Affäre zu Gericht zu sitzen. Am 30. August wurde Madame de La Motte-Valois verhört. Man bedrängte sie mit Fragen über den vernichteten Briefwechsel zwischen dem Kardinal und der Königin. Die Antwort lautete: »Ihre Eminenz hat mir zweihundert Briefe der Königin gezeigt, in denen sie ihn duzte.«
    Kardinal Rohan kam als Nächster dran. Er war nicht des Diamantendiebstahls angeklagt, der dem Ehepaar La Motte-Valois zugeschrieben wurde, sondern der Majestätsbeleidigung, weil er geglaubt hatte, die Königin könne ihm flammende Briefe schreiben und ihm ein Schäferstündchen gewähren.
    Seine Aussage war manchmal kaum verständlich. Er war leichenblass und stammelte nur ein paar Wörter hervor. Dabei war offenkundig, dass er sich keine Sorgen machen brauchte. Der Gerichtshof, der die Königin ebenfalls hasste, stand geschlossen auf seiner Seite. Als er sich zurückzog, erhob sich das Parlament, um ihn zum Abschied

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