Der Fälscher aus dem Jenseits
des Gebäudes. Drei Männer in Overall und Unterhemd, die Arme voller Tätowierungen, sprangen heraus und gingen auf Madame Michalon zu. Statt eines Grußes fassten sie sich an die Mütze und fragten ohne Einleitung: »Wohnt hier Monsieur Martin?«
»Ja«, erwiderte die Concierge, »aber er ist für ein paar Tage verreist. Was wollen Sie von ihm?«
»Er ist nicht da?«, bemerkte der Mann, der der Leiter der Gruppe zu sein schien, verärgert. »Das ist aber sehr merkwürdig, denn wir sollten ihm einen antiken Schrank liefern.«
»Einen antiken Schrank? Er hat kein Wort davon gesagt und mir auch keine Anweisungen gegeben.«
»Ach, das hat er wohl vergessen«, erwiderte der Mann, »wir meinen doch den gleichen Monsieur Martin, den Kunstsammler?«
»Ja, genau.«
»Das ist aber ärgerlich, denn jetzt haben wir die Fahrt umsonst gemacht«, entgegnete der Mann. »Und wenn er nach seiner Rückkehr seinen Schrank nicht vorfindet, wird er bestimmt wütend sein.«
Madame Michalon zögerte und wusste nicht, was sie tun sollte. Langsam ging sie auf den Möbelwagen zu. Im Innern schien ein imposanter, geschnitzter normannischer Schrank, eingehüllt in Decken, auf eine Entscheidung zu warten. Schließlich beschloss sie, dass sie es den Männern erlauben könne, ihre kostbare Fracht in der Wohnung im dritten Stock abzuladen.
Wenige Minuten später schloss Madame Michalon die Tür der Wohnung von Monsieur Martin auf und die Möbelpacker, die unter ihrer Last stöhnten, stellten den normannischen Schrank in der Diele der Wohnung ab.
Jedes Zimmer war mit Vitrinen voller Nippsachen oder preisgekrönten Büchern ausgestattet. Madame Michalon gab den sympathischen Möbelpackern ein großzügiges Trinkgeld. Dann schloss sie sorgfältig die Flügeltüren und sah von der Halle aus dem Möbelwagen nach, während die drei kräftigen Männer ihr zuwinkten.
Am Spätnachmittag kehrte der Wagen jedoch zurück und der Chef der Möbelpacker erklärte ihr etwas verlegen: »Stellen Sie sich vor, Madame, man hat uns die falsche Adresse angegeben. Der Schrank von Monsieur Martin war nicht für Ihren Mieter bestimmt, sondern für einen anderen Herrn gleichen Namens, der ebenfalls Sammler von Kunstgegenständen ist, aber am anderen Ende der Straße wohnt. Da er vergeblich auf seinen Schrank gewartet hat, rief er unsere Firma an und dabei bemerkte man den Irrtum. Wenn es Ihnen nicht zu viel Umstände macht, nehmen wir den Schrank wieder mit.«
Madame Michalon setzte eine etwas pikierte Miene auf, holte die Schlüssel zu Monsieur Martins Wohnung und ging mit den Möbelpackern wieder in den dritten Stock, um die Wohnung erneut aufzuschließen. Die Möbelpacker hüllten den geschnitzten Schrank wieder in Decken und luden ihn in den Möbelwagen, der unten wartete.
Dann fuhren sie los. Vorher hatte sich Madame Michalon allerdings das Trinkgeld, das sie ihnen beim ersten Mal großzügigerweise gegeben hatte, zurückgeben lassen.
Als Monsieur Martin, Mieter im Haus der Concierge Michalon, zwei Tage später in seine Wohnung zurückkehrte, stellte er wütend fest, dass zahlreiche Wertgegenstände und Schmuckstücke fehlten. Die Erklärung war einfach: In dem irrtümlich gelieferten Schrank verbarg sich ein Dieb.
Als er aus dem Schrank geklettert war, nahm er alles an sich, was man leicht verschwinden lassen konnte. Er wusste, dass er ein paar Stunden vor sich hatte und arrangierte alles so, dass nicht auf den ersten Blick zu erkennen war, welche Gegenstände gestohlen worden waren.
Dann setzte er sich mit seiner Beute wieder in den geschnitzten Schrank, schloss die beiden Türen und wartete. Als die falschen Möbelpacker, bei denen es sich selbstverständlich nicht um Angestellte einer Umzugsfirma handelte, auftauchten, um ihren »Fehler« zu korrigieren, ließ sich der Dieb im Inneren des Schranks hinuntertragen. Der Schrank war jetzt etwas schwerer als vorher. Genau diese denkwürdige Szene stellten Louis Jouvet und Jeanne Marken in dem bekannten Film von Jean Dréville dar.
1+1=3
1+1=3: Eine falsche Rechnung, meinen Sie?
Nicht falsch, nur unehrlich. Sie gehört zu einer ganz besonderen Art von Betrug, dem Schwindel mit einem Paar. Um den auszuführen, braucht man nur ein bisschen Fantasie, schauspielerisches Talent und unerschütterliche Kaltblütigkeit. Ein Beispiel...
Mitte Januar 1960 betrat ein gepflegter Herr um die vierzig ein Juweliergeschäft in einer vornehmen Pariser Straße. Zu Beginn des Jahres, so kurz nach den
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