Der Fälscher aus dem Jenseits
Festtagen, gab es kaum Kunden. Darum wurde der Eintretende auch ganz besonders herzlich begrüßt. »Womit kann ich dem Herrn dienen?«
»Seltene Perlen. Meine Frau ist ganz verrückt danach. Es ist für unseren Hochzeitstag.«
»Natürlich, Monsieur. Zufällig sind wir auf Perlen spezialisiert.«
Geschwind holte der Juwelier die besten Stücke, die sich in seinem Laden befanden, aus ihren Schatullen. Bei seinem Kunden riefen sie jedoch nur verächtliches Naserümpfen hervor. Das konnte man als gutes, aber auch als schlechtes Zeichen deuten. Entweder war er einer von jenen wählerischen Leuten, die sowieso nichts kauften, beziehungsweise ein Neugieriger, der sich nur ein paar hübsche Dinge anschauen mochte, oder aber ein fetter Kunde, der nur das Feinste vom Feinsten wollte. Das würde sich jedenfalls bald zeigen.
»In dem Fall kann ich Ihnen nur noch eine Perle in Tropfenform anbieten, Monsieur.«
Der Juwelier ging zum Tresor und entnahm ihm eine Schatulle mit einer Perle von unvergleichlichem Glanz und einer ganz besonderen Form, die tatsächlich einem Wassertropfen oder einer Birne glich. Diesmal leuchtete ein Lächeln auf dem Gesicht des Mannes auf. »Genau die will ich! Wie viel kostet sie?«
Selbst in neuen Franc, die eben erst die alten ersetzt hatten, klang die Summe astronomisch, doch das Lächeln des Kunden erlosch nicht. Allerdings wurde er nachdenklich.
»Die sagt mir zu. Doch haben Sie nicht noch eine andere?«
»Sie meinen, eine ähnliche Perle?«
»Ja. Ich weiß, dass sich meine Frau Ohrringe wünscht. Und wenn Sie noch so eine hätten...«
»So eine gewiss nicht. Sie besitzt eine seltene Form und ihr Glanz ist ebenfalls einzigartig. Wir haben aber sehr schöne Ohrgehänge mit Perlen auf Lager.«
»Nein, nein. Ich will die in Tropfenform, keine andere. Ich nehme sie auch so. Allerdings möchte ich, dass Sie ihre Zwillingsschwester suchen.«
»Das könnte eine Weile dauern und ein Erfolg ist zugegebenermaßen sehr unwahrscheinlich.«
»Unser Hochzeitstag ist am 26. Februar. Sie haben noch anderthalb Monate.«
»Falls es mir gelingt, könnte es andererseits ein Problem geben.«
»Meinen Sie den Preis? Ich bin bereit, für die zweite Perle das Doppelte von der hier zu bezahlen.«
»Wenn das so ist, machen wir uns sofort an die Arbeit.«
Die Perle in Tropfenform wurde kunstvoll eingepackt. Als der Kunde schon bezahlen wollte, kamen ihm Zweifel.
»Kann ich sie auch mitnehmen? Brauchen Sie die nicht, um sie mit der anderen zu vergleichen?«
Doch der Juwelier beruhigte ihn.
»Unsere Stücke sind alle fotografiert. Seien Sie ganz unbesorgt.«
Der Mann bezahlte also, ließ eine Visitenkarte da und zog sich mit seiner Erwerbung zurück, von den Bücklingen des Händlers begleitet. Letzterer hatte allen Grund, zufrieden zu sein. In dieser flauen Jahreszeit hatte er ein gutes Geschäft gemacht und er besaß nun Aussicht auf eine noch einträglichere Transaktion, wenn er das seltene Stück auftrieb.
Wie alle großen Juweliere stand er mit Kollegen in der ganzen Welt in Verbindung. Er schickte ihnen Fotos von der Perle mit dem Hinweis, dass es darum ging, für einen Kunden ein Paar zusammenzustellen. Dieses Detail war verlockend, weil jeder wusste, dass das zweite Element eines Paares mehr wert war als ein Einzelstück. Und man deshalb dafür einen höheren Preis verlangen konnte.
Wie zu befürchten war, existierte das genaue Gegenstück zu der Perle in Tropfenform leider nirgendwo. Das war vor allem bedauerlich, weil der Kunde seine Meinung nicht geändert hatte. Er rief sogar mehrmals an.
»Wie kommt es. dass Sie keine finden? Ich will diese Ohrringe unbedingt haben!«
Der 26. Februar rückte näher. Da erhielt der Juwelier nur wenige Tage vor dem Stichtag einen Anruf von einem belgischen Zwischenhändler.
»Ich hab sie gefunden. Genau dieselbe. Erstaunlich! Ich muss sowieso nach Paris. Bei der Gelegenheit bringe ich sie Ihnen vorbei.«
Am nächsten Tag legte der Zwischenhändler eine Perle auf die Ladentheke des Pariser Juweliers. Es war wirklich erstaunlich, sie hatte genau dieselbe Form, denselben einzigartigen Schimmer. Entgegen jeder Erwartung hatte die Perle in Tropfenform ihre Doppelgängerin gefunden.
Nur war der Preis, den der Zwischenhändler verlangte, ebenfalls einzigartig: das Doppelte von der ersten und genau das, was der Kunde geboten hatte. Der Juwelier rief letzteren an, um ihm sowohl die gute als auch die schlechte Nachricht mitzuteilen.
»Wir haben sie
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