Der Falke des Lichts
Marionettenkönigen regieren. Denn Artus regierte Britannien schon.
Meine Mutter schmiedete auch Pläne. Im September, bei Neumond, töteten wir um Mitternacht ein schwarzes Lamm. Ich hielt seinen Kopf, während sie es mit einem steinernen Messer aufschnitt und die Innereien untersuchte, während das Tierchen noch zappelte und über uns blutete. Sie war wütend über das, was sie sah, aber sie erklärte mir nichts. Etwas später, am nächsten Tag, fragte ich sie, warum sie nicht einfach Artus vernichten könne, wie sie seinen Vater vernichtet hatte.
»So einfach ist das nicht«, sagte sie mir. »Er hat einen christlichen Gegenbann über mich ausgesprochen, und ich verstehe nicht, wie er wirkt. Hast du nicht bei dem Lamm gestern nacht gesehen, wie das Gekröse in Knoten verwebt war?«
Ich hatte gar nicht hinschauen wollen. Diese Dinge verursachten mir noch immer Übelkeit.
»Aber mach dir darum keine Sorgen«, sagte sie und begann zu lächeln. »Ich habe ihn verflucht, und der Fluch lebt, und er hat gelebt. Am Ende wird auch ihn die Finsternis verschlingen.«
Ich beobachtete diese Finsternis in ihren Augen, während sie befriedigt vor sich hinstarrte, und ein grausiger Respekt stieg in mir auf. Ich wußte, sie plante irgendeine andere Tat, und sie hatte das Lamm getötet, um zu sehen, wie es ausging. Sie war erfüllt von Anspannung, sie wartete. Aber als ich fragte, wollte sie mir nicht sagen, auf was sie wartete. Sie lächelte nur ihr sanftes, geheimnisvolles Lächeln.
Während der Oktober langsam dahinging und die großen Nebel von der See die Inseln wie eine Decke umhüllten, begann ich zu erraten, wann sie handeln würde, wenn ich auch nicht wußte, was sie vorhatte. Am Ende des Oktober steht eine Nacht, die Samhain heißt. Es ist ein Fest, eins von vier großen Festen - die anderen heißen Mittsommer, Lammas und Beltene -, und sie sind den Mächten der Erde und des Himmels geweiht. Samhain ist die Nacht, in der die Tore zwischen den Welten offenstehen. In dieser Nacht können die Toten zurückkriechen in jene Welt, die sie verlassen haben, und unter den Lebenden bei Tisch wird für sie gedeckt. Andere, noch dunklere Dinge kommen am Sam-hain-Fest über die Welten, und gewöhnlich spricht man nicht von ihnen. Noch andere Wesen können dann beschworen werden, durch Wunsch oder Ritus, und diese erwähnt man am allerwenigsten. Während das Ende des Oktobers heranrückte, wußte ich, auf was meine Mutter wartete.
Am Tag des Samhain-Festes ging ich in ihr Zimmer, um meine übliche Lektion zu nehmen. Aber den größten Teil des Tages taten wir nichts außer lesen. Morgas hatte ein römisches Gedicht gekauft, das »Äneis« hieß. Sie hatte es von einem reisenden Händler um den Wert von zehn Kühen in Gold erworben. Morgas besaß siebzehn Bücher, die eine ungeheure Menge an Geld wert waren, und ich hatte sie alle gelesen. Die »Äneis« genoß ich mehr als die anderen, obwohl dieses Buch voll seltsamer Namen war und ich nur wenig davon verstand. Ich bedauerte, daß wir nur die ersten sechs Bände besaßen, die erste Hälfte des Gedichts, und die hatten wir schon fast zu Ende gebracht.
. sie orsa loqui vates: säte sanguine divum, tros anchisiade, faciles descensus averni: noctes adque dies partet artri ianuar ditis: sed revocare gradum superasque et vadere at auras, hoc opus, hie labor est.
Ich glättete die Seite und begann wieder zu übersetzen: »Daher spricht der. Prophet?«
»Oder Poet«, murmelte Morgas. »Wie ein Ollamh.«
»Daher begann der Prophet zu sprechen: >Du, der du entsprungen bist vom Blut der Götter, Troianer, Sohn des Anchises, leicht ist der Abstieg zum Avernus: Nacht und Tag ist das Tor zur schwarzen Welt geöffnet; doch deine Schritte zurückzuverfolgen und aufzusteigen zurück zum Licht, das ist Qual, das ist Mühsal<.« Ich hielt inne und schluckte plötzlich. »Avernus. Das ist Yffern? Die dunkle Anderwelt?«
Morgas nickte. Ihr Blick war kalt und belustigt. »Verängstigt dich das, mein Falke?«
Ich legte meine Hand über die Seite und schüttelte den Kopf. Aber der Kloß saß mir noch immer in der Kehle. Leicht ist der Abstieg, aber die Schritte zurückzuverfolgen. Sie schaute mich immer noch an.
»Nun gut, genug für heute«, sagte sie. »Und was hältst denn du von Aneas, mein Falke?«
»Er. er verläßt sich auf seine Mutter, die Göttin, und zwar in allem. Ich mag ihn eigentlich nicht. Nicht so sehr wie CuChulainn oder Connall Cearnagh oder Noise Mac Usliu. Und
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