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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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dennoch.«
    »Ach, ist es denn etwas Übles, sich auf die Mutter zu verlassen?« sagte sie lachend. Und ich schaute sie an und spürte, wie mein Gesicht heiß wurde.
    »Sie war weniger eine Göttin als du«, sagte ich.
    »Das hast du schön gesagt! Äneas ist schwach, und auch seine Mutter ist schwach. Dennoch, die Römer betrachten dies als ihr größtes Gedicht. Sie waren keine Künstler. Sie konnten die Tiefe der Dinge nicht verstehen, die Leidenschaften der Seele. Sie haben ein starkes Reich auf dem Blut von Menschen aufgebaut, und sie bauten gute Straßen. Aber abgesehen davon. Artus ist übrigens ein halber Römer.«
    »Wirklich? Aber ich dachte, alle Römer wären schon vor langer Zeit gegangen.«
    »Die Legionen sind gegangen. >Verteidigt euch selbst<, hat Honorius den Provinzen von Britannien befohlen. >Denn wir können euch nicht länger verteidigen<. Aber die Römer ließen ihr Vermächtnis zurück, Männer, die gewillt waren, ein gefallenes Reich wiederaufzurichten. Im Süden denken noch viele wie Römer, auch Artus. Deshalb führt er die Britannier gegen die Sachsen: Es ist sein Wunsch, die letzte Feste des Reiches gegen die Barbaren zu halten, und eine Nation verteidigt sich gegen eine andere. Er sieht nicht, daß Britannien genausowenig eine Nation ist, wie die Sachsen eine sind. Es ist eine eigenartige Weise, die Dinge zu sehen, und sie hat viele Schwächen. Ich kenne sie. Ich habe Artus gesehen und kennengelernt.«
    Sie wurde still, sie dachte nach, sie lächelte.
    »Komm heute nacht hierher«, sagte sie mit leiser Stimme, nach langer Zeit. »Ich habe geplant, dir heute nacht deine Einführung in die wirkliche Macht zu geben. Es ist eine gute Nacht dafür. Ich will dafür sorgen, daß die Finsternis dich annimmt, mein Sohn, und du wirst sehen, warum ich so stark bin. Nach dieser Nacht besitzt du Macht, wie ich.«
    Ich hörte es, nickte, verbeugte mich und verließ den Raum, ohne etwas zu sagen. Ich sattelte mein Pferd und machte einen langen Ausritt zum Meer. Ich konnte nicht in Dun Fionn bleiben, aber mit jedem Schritt, den mein Pferd machte, wuchs meine Angst, eine Angst vor etwas, das ich noch nicht kannte. Damals hatte ich schon tief in die Finsternis hineingeschaut, und sie machte mir angst. Ich wünschte mir, so zu sein wie meine Mutter, Macht zu haben und der Furcht zu entrinnen, aber ich fand, daß die Macht noch furchterregender war. Ich wußte nicht, was ich wollte, aber ich würde in der Nacht zu ihr gehen.
    Mir wurde klar, daß ich den Pfad kannte, und ich stellte fest, daß ich nach Llyn Gwalch ritt. Nun, warum auch nicht?
    Ich erreichte die Stelle, wo der Bach über den Rand der Klippen stürzte und den Kies mit klaren Fingern kämmte. An diesem Tag war ein leichter Nebel über dem Land, der all die sanften Hügel mit einem so weichen Grünton überzog, daß ich den Eindruck hatte, sie lösten sich im milden Himmelslicht auf. Die See trommelte an die Klippe, ein Geräusch, so beständig wie das meines Herzens. Mir war, als ob ich es noch nie gehört hätte.
    Ich saß ab und legte meinem Pferd die Beinfessel an. Dann kletterte ich vorsichtig den Pfad hinunter.
    Als ich den Strand mit seinem kleinen Teich erreicht hatte, kam mir alles kleiner vor, als ich es in der Erinnerung hatte, und ich begriff, wie lange es schon her war und wie sehr ich gewachsen sein mußte. Aber der Ort war noch immer wundervoll. Meine alten Träume hingen noch darüber und glühten schwach in meinem Innern, mit Farben, die strahlender waren als die Farben der Erde. Der Teich war unendlich tief, still und klar, und er war dunkel durch den vielfarbigen Kies, der gerundet auf seinem Boden lag. Die See krallte sich in den Strand, zischte auf den Steinen und seufzte aus. Ihr Geruch war salzig und stark, wild, unendlich und traurig. Eine Möwe flog über meinem Kopf dahin, sie flatterte und schwebte. Sie schrie ein einziges Mal, und andere Seevögel, die im Nebel verborgen waren, schrien zurück.
    Ich ging hinüber zum Teich und kniete mich hin. Ich trank daraus und studierte dann mein Spiegelbild. Ein Junge, der aussah wie vierzehn oder älter, starrte zurück. Dickes schwarzes Haar, zurückgehalten mit einem Stück abgenutztem Leder. Glatte Haut, noch immer dunkel vom Sommer, ein Gesicht, das in der Form des Knochenbaus leicht an Morgas’ Gesicht erinnerte. Ein gedankenverlorenes Gesicht, dessen dunkle Augen meinen offen begegneten. Sie versuchten, in das verwirrte Gehirn zu schauen, das hinter ihnen lauerte. Es war

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