Der Falke von Aryn
ein Magier des Ordens«, sagte sie ungerührt. »Tue etwas dagegen!«
»Schon geschehen«, grinste Raphanael und warf sich den Mantel über.
»Hier«, sagte sie und hielt ihm eine ihrer Pistolen hin. »Steck sie dir vorn in den Bund, sodass jeder sie sehen kann.«
Er musterte die reich verzierte Waffe.
»Das ist doch eher eine Herausforderung als alles andere, das Ding muss ein Vermögen wert sein. Abgesehen davon … in den Hosenbund?«
Sie lachte. »Solange dieser Hebel hier nach oben zeigt, taugt die Waffe nur als Knüppel. Du brauchst keine Angst um deine Manneskraft zu haben. Was das andere angeht … nur ein Depp oder jemand, der ganz genau weiß, dass er sich seiner Haut erwehren kann, würde sich mit einer solchen Waffe zeigen. Du siehst nicht blöde genug aus, also muss es das andere sein. So«, lachte sie und schlug ihm spielerisch auf die Finger, als er den Mantel zuziehen wollte. »Lass Hemd und Mantel offen und gehe breitbeinig, als wärest du zehn Tage geritten. So, als ob zwischen deinen Beinen Glocken läuten würden.«
Sie lachte, als er sie fassungslos ansah. »Hier fordert dich keiner zum Menuett heraus, Raphanael«, sagte sie ernster, um dann zurückzutreten und ihn zu mustern. »Gut«, befand sie. »Jetzt siehst du aus wie einer dieser Hurenfänger, der zeigt, womit er die Weiber ködern kann, du musst nur noch grinsen, als wäre all das Elend hier nur ein Spaß, um dir das Leben zu versüßen, und jeder, der dich anschaut, sowohl ein Witz als auch unter deiner Würde.«
Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, und sie lachte schallend, ohne sich darum zu kümmern, dass die halbe Gasse dem Schauspiel zugesehen hatte.
»So bist du zum Fürchten«, grinste sie.
»Ja«, antwortete Raphanael. »Ich sehe, was du meinst.« Lorenzo würde ihn umbringen, wenn er erfuhr, was mit Umhang und Jacke geschehen war, und er musste dagegen ankämpfen, Hemd und Mantel zuzuziehen, aber dennoch … er grinste breit. »Bist du zufrieden?«
»Durchaus«, lachte sie. »Deine Stiefel sind noch zu sauber, sie glänzen, aber das will ich dieses Mal durchgehen lassen.«
Das Seltsame an der ganzen Sache war, dass sie Dutzende von Zuschauern gehabt hatten, als sie ihn auf offener Straße halb ausgezogen und so ausstaffiert hatte, und die meisten trugen nun lachende oder erheiterte Gesichter, der eine oder andere nickte ihm noch zu, und die Hure mit den langen Beinen und dem scharfen Dolch pfiff ihm sogar nach.
Und als sie weitergingen, stellte er fest, dass ihn kaum noch jemand eines zweiten Blicks würdigte.
»Es ist nichts anderes als auf einem eurer Bälle«, sagte Lorentha mit einem Schmunzeln. »Wer falsch gekleidet ist und sich nicht zu benehmen weiß, wird hinausgeworfen.«
Er nickte lächelnd, dennoch … ›eure Bälle‹ hatte sie gesagt, als ob sie nicht dazugehörte. Sie war eine Baroness, wenige Türen würden ihr verschlossen bleiben, aber … er erinnerte sich daran, wie sie den Ball gestürmt hatte, als wäre die feine Gesellschaft dort eine Festung, die sie überrennen wollte. Es war ihr gelungen, aber hier, inmitten von rauen Männern und leichten Weibern, wo jeder eine Waffe trug und ein falsches Wort den Tod bedeuten konnte, fühlte sie sich zu Hause.
Dies war ihre Welt, dachte er, aber er erinnerte sich auch daran, wie sie in Jesmenes viel zu kurzen Kleidern am Frühstückstisch gesessen hatte und Arin für sich gewonnen hatte. Sie passte auch in seine Welt, dachte er, wusste sich darin zu behaupten, doch konnte er sich in ihrer Welt bewegen?
Sie blieb stehen und lachte ihn an.
»Was ist?«, fragte er.
»So übertreiben musst du es wiederum nicht«, grinste sie. »Ich sprach nicht von Tempelglocken! Entspanne dich einfach, die Menschen hier sind auch nicht anders als die, die du kennst, ihr Schicksal ist nur um so vieles härter, ihr Leid größer, und ihre Freuden sind kleiner. Wäre er nicht dein Freund geworden, könntest du Barlin hier stehen sehen, mit einem breiten Grinsen und einem Becher in der Hand, und er wäre im Kern doch der gleiche Mensch und vielleicht auch hier ein Freund.«
»Warte«, bat Raphanael und sah sich langsam um. Niemand schenkte ihm Beachtung, und so sah er die beiden Seemänner, die Arm in Arm, sich gegenseitig stützend, unsicher durch die Menge schwankten und offenbar ihre Freude hatten, die dicke Frau dort drüben, die mit einem rauen Gesellen scherzte, und die beiden Halsabschneider, die weiter hinten sich miteinander maßen, indem sie ihre Klingen in
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