Der Falke von Aryn
»Wir halten uns an Don Amos. Er ist der Kopf des Ganzen.«
»Aber Visal ist es, der Herzog werden will.«
»Ja. Aber er hat sich jetzt schon an Aragon verkauft.« Mort rückte sein Schwert und seinen Hut zurecht und ging los. »Komm mit und sitz nicht faul herum.«
»Müsst Ihr mich immer kommandieren?«, beschwerte sich Raban.
»Es ist besser, als wenn ich dich die Werkstatt fegen ließe«, grinste Mort, und Raban seufzte. Vielleicht war die Idee, Lehrling eines Todeshändlers zu werden, doch nicht die beste, die er jemals hatte. Wenn er es recht bedachte, hatte er dem auch nicht ernsthaft zugestimmt. Auf der anderen Seite wurde es immer offensichtlicher, wie viel Mort ihn lehren konnte. Mit dem Schiefen Anker hatte er sein Auskommen, aber es fehlte ihm doch etwas. Das Abenteuer, die Zeit, als er nur durch Witz, Verstand und schnelle Hände hatte überleben können. Vielleicht war es doch nicht so verkehrt, bei ihm in die Lehre zu gehen.
»Mort?«
»Ja?«, fragte der alte Mann abgelenkt, während er sorgsam die Umgebung musterte.
»Wie ging Euer alter Meister mit Euch um?«
»Er verpasste mir bei solchen Fragen Schläge auf den Hinterkopf, um mein Denkvermögen anzustoßen, wie er es zu nennen beliebte.«
»Warum …«
»Warum mache ich das nicht?«
Raban sah es nicht kommen. Er sah es nie kommen, für einen alten Mann bewegte sich Mort sehr schnell. Der Schlag ließ Raban nach vorn taumeln und seinen Schädel brummen.
»He!«, beschwerte er sich.
»Ich fand, dass es meinem Denkvermögen nicht sehr half, tatsächlich fand ich, dass ich dadurch eher sturer wurde.« Mort schaute ihn mit vergnügt funkelnden Augen an. »Aber wenn du darauf bestehst, können wir es einführen.«
»Nein, danke«, sagte Raban höflich und rieb sich den Hinterkopf. Er musterte den Todeshändler misstrauisch. »Sagt, macht Euch das Spaß?«
Mort blieb stehen und hob fragend eine Augenbraue. »Was würdest du vermuten?«
In Kunst und Künsten groß
36 »Ihr seht beide nicht sehr glücklich aus«, stellte Barlin fest, als er die beiden durch das Hafentor kommen sah. Sein Blick glitt an Raphanaels offenem Hemd und dem Mantel herab, um dann misstrauisch an Lorentha hängen zu bleiben. »Was habt Ihr mit meinem Freund gemacht?«, fragte er sie. »Der da ist nicht Lord Raphanael, gebt es zu, Ihr habt ihn ausgetauscht!«
Sie lachte, und Barlin grinste breit. »Du siehst verwegen aus, Raph!«
Doch seine Lordschaft fand den Humor nicht ganz angebracht. »Wir haben einiges herausgefunden«, sagte er kurz. »Und nichts davon ist gut.«
Mit kurzen Worten erzählte er Barlin von dem Gerücht, was seinem Freund sogleich das Lächeln aus dem Gesicht vertrieb.
»Kann es wahr sein?«, fragte er dann.
»Das wollen wir herausfinden«, antwortete Raphanael. »Wir fahren zum Tempel der Isaeth, vielleicht finden wir in den Tempelarchiven etwas. Ich hoffe darauf, dass sie uns Zutritt gewährt.«
»… anschließend führen wir die Gläubigen ins Gebet über«, hörten sie Larmeths klare Stimme durch das Tempelschiff hallen. »Währenddessen nehmen die Novizen im Mittelgang Aufstellung. Dann wieder Gesang … die Lobpreisung der Gnade wäre angebracht … und Bruder Demal hier«, sie nickte zu einem bartlosen jungen Priester hin, der es kaum glauben konnte, dass er bei einer so wichtigen Zeremonie eine Rolle spielen würde, »wird das Kissen mit der Schale und der Rute zum Altar tragen. Dort werde ich … oh, entschuldigt mich«, meinte sie zu den Priestern, die am Altar um sie herum versammelt standen. »Wir üben das alles gleich noch mal. Und du, Demal, lass deine Robe vorn etwas kürzen.«
»Wieso?«, fragte der junge Priester überrascht.
»Weil sonst die Gefahr besteht, dass du auf den Saum trittst«, meinte ein älterer Priester. »Glaube mir, das willst du nicht.«
»Mitten in den Vorbereitungen, wie ich sehe«, stellte Raphanael fest, nachdem man sich begrüßt hatte. »Wie geht es voran?«
Larmeth seufzte. »Es ist in der ganzen Stadt kein weißes Lamm aufzutreiben. Jetzt überlegen wir, ob wir das Opfer ganz sein lassen. Ich muss die Liturgien durchgehen, ob das erlaubt ist, aber mir wäre es recht, die armen Viecher schauen einen immer mit diesen großen Augen an, als ob sie wüssten, was ihnen bevorsteht.« Sie seufzte. »Was ist mit euch, seid ihr weitergekommen? Einer der Novizen hat von einem Gerücht erzählt, das die Runde macht …«
»Ja«, meinte Raphanael. »Das haben wir auch gehört.« Er zog seine
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