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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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berührte sie an der Schulter und rief sie zurück, der Tempel wurde dunkler und leerer, doch der Falke blieb und auch an seiner linken Kralle das silberne Band, das ihn als das auswies, was er war.
    Der Falke der Sarnesse.

Der Orden der Seher
    37  »Ob Visal wohl weiß, dass er den falschen Falken stahl?«, meinte Raphanael mit rauer Stimme.
    Doch bevor sie sich so weit hatte fassen können, um ihm eine Antwort darauf zu geben, schwangen weit hinter ihnen mit lautem Knarzen die mächtigen Tempeltore auf, ohne dass eine Hand sie berührte. Drei Frauen standen dort an der Schwelle, tief verschleiert und in weite Reiseroben gehüllt. Die erste hob nun eine von Altersflecken gesprenkelte, bleiche Hand und lüftete den Schleier, zeigte Falten, weißes Haar und blasse, blinde Augen.
    »Oh, Götter«, brachte Raphanael hervor, als jeder sprachlos zu der Erscheinung hinsah. Die Zweite hob die Hand und schlug den Schleier zurück und offenbarte eine Frau in besten Jahren, mit blitzenden blauen Augen und einem verschmitzten Lächeln, dann schlug die Dritte ihren Schleier zurück, ein Mädchen an der Schwelle zur Frau, mit grünen Augen und einem Lächeln, das so unschuldig schien, dass es Lorentha wehtat, es zu sehen.
    Dann sprachen sie, gleichzeitig, und der Klang ihrer Stimmen füllte den Tempel, wie es Larmeths beste Predigt bisher noch nicht vollbracht hatte.
    Der Orden der Seher bittet um Einlass in das Haus der Göttin Isaeth.
    Der Dreiklang der Stimmen schien von den hohen Säulen und Wänden des Tempels widerzuhallen.
    »Göttin«, flüsterte Larmeth und schaute verlegen an ihrer Robe herab, die durch das Ausrichten des Falken auf dem Altar Staub und Dreck von seinem Gefieder aufgenommen hatte und in ihren Augen nun mehr dem Kleid einer Magd als der Robe einer Priesterin glich. Aber es half nichts. Sie richtete sich zu ihrer vollen Höhe auf. Ein letzter Blick hinauf zur Göttin folgte, doch die regte sich nicht, also atmete Larmeth tief durch und zwang sich, ihre Hände ruhig zu halten und nicht am Saum ihrer Robe herumzuspielen.
    »Seid willkommen.«
    Lorentha, die noch immer vor dem Altar kniete, wusste nicht so recht, ob sie auf Knien bleiben sollte oder doch lieber stehen, sie entschied sich für das Letztere und sah wie die anderen staunend zu, wie die drei Frauen in perfektem Einklang der Bewegung den Mittelgang entlangkamen, um dann sechs Schritt vom Altar entfernt regungslos zu verharren.
    Die alte Frau schaute mit blinden Augen hoheitsvoll über die Anwesenden hinweg, dann bewegte sich ein faltiger Mundwinkel, eine Bewegung, die zu einem Lächeln wurde, das Jahre oder gar Jahrzehnte von ihr abfallen ließ.
    »Wir sind hier«, sagte sie in einer Stimme, die noch immer fernen Tempelglocken ähnelte, aber nur ihre eigene war, »weil wir es so sahen.« Sie sah langsam empor zu dem Standbild der Göttin. »Wir ehren die Göttin Isaeth in allen ihren Namen.« Sie schwenkte ihren Kopf herum und sah Raphanael mit blinden Augen an. »Wir ehren den Orden der Hüter.« Die blassen Augen schienen sich nun in die Lorenthas zu bohren. »Wir ehren den Orden der Walküren«, fügte sie hinzu. »Vor der Göttin bezeugen wir Folgendes: In ihrer Weisheit verfügten die Götter, dass Prinzessin Armeth dem Prinzen Pladis von Franken einen Erben schenken sollte. Doch in der Nacht ihrer Niederkunft war eine Natter zugegen, eine Schlange der Bruderschaft. Heimtückisch, vor allen Augen und doch ungesehen, wendete sie das vorgefügte Schicksal zweier Reiche, Gift sollte zwei Leben nehmen. Seinem Schwur gemäß wachte der Falke an der Seite seiner Herrin; obgleich vom Blute der Walküren, fehlte ihm ihre Macht, doch er sah die Tat der Natter und erschlug sie dort, wo sie stand. Für das Herz Aryns war die Schlacht geschlagen, das Gift zu stark. Doch für das Kind gab es noch Rettung. Er rief seinen Herrn herbei, und unter Tränen erlaubte ihm der Prinz, dem Tod das zu entreißen, was die Natter ihm verwehren wollte, ein Leben, gesund, vom Gift noch nicht berührt, ein Leben, das dem Schicksal nach die Krone zweier Völker tragen sollte und nicht durfte, da es Blut vereinte, das die Bruderschaft nicht lebend dulden konnte.«
    Die alte Frau schwieg, doch die Mittlere der Seher sprach für sie weiter. »In des Prinzen Blut lag das Erbe der Seher, in dem der Prinzessin das Erbe der Hüter, beides über die Zeit vergessen, ein Geheimnis nur gewahrt durch einen Feind, der eifersüchtig darüber wacht, dass Blut und Blut sich nicht

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