Der Falke von Aryn
verbinden können. So sprach die Natter nach ihrem Tod für uns und gab uns das Geheimnis preis, nachdem das Kind nicht leben durfte.«
Die Jüngste der drei übernahm, als die Mittlere schwieg.
»Die Bruderschaft würde dem Kind die Zukunft und das Leben rauben, die halbe Welt in Flammen legen und auf jeden Fall obsiegen, denn in allen Leben, die wir für es sahen, starb das Kind noch vor seinem neunten Jahr.«
»An diesen Morden«, sprach die Alte weiter, »würde auch die Bruderschaft vergehen, Pladis selbst würde Aragon in Flammen legen, doch eine Narbe wäre der Welt geschlagen worden. Wir sahen, was war und werden würde, und entschieden, dass der Preis zu hoch wäre, befanden, dass das Kind, dem Tod auf wundersame Art entrissen, ihm doch wieder zugeführt werden müsste. Weinend brach der Prinz zusammen, doch es war der Falke, der dem Schicksal trotzte, der fragte, was wäre, wenn der Erbe sterben, aber das Kind doch leben würde? Wir sahen, was die Antwort war, und stimmten zu. Ein Kind wurde mit einer fremden Mutter begraben, der Erbe starb, die Bruderschaft glaubte sich erfolgreich, und unter den Schwingen des Falken lebte das Kind als Tochter eines Freundes, dem der Falke die Sorge um das Kind schuldig war.«
Wieder wechselte die Sprecherin.
»Drei wussten um das Geheimnis dieser Nacht, der Prinz, der Falke und die Seherin, die die Geburt des Erben bezeugen sollte. Doch es gab noch einen, der das Geheimnis offenbaren konnte und so den Tod des Kindes bestimmen würde. Der Falke der Sarnesse, ein Geschenk eines Freundes an einen Freund. Der Falke von Aryn. Gegeben, um die Hochzeit zweier Reiche hier im Tempel zu ehren, ein Falke, einst im fernen Prag von den Rabbinern des Einen Gottes in Kunst und Künsten gefertigt, um die Dienste einer Walküre zu ehren, und nun mit einem Zauber belegt, um zu jubilieren, wenn der Erbe dieser zweier Reiche vor ihn trat.«
Wieder wechselte die Sprecherin.
»Der Göttin gegeben, konnte der Falke ihr nicht wieder genommen werden, aber ein anderer Falke würde sich nicht regen, selbst wenn der Erbe vor ihm stünde. Also gab der Prinz Aryn einen goldenen Falken, prachtvoll anzusehen, aber steif und blind und nicht fähig, das Geheimnis zu verraten. So waren es jetzt vier, die dieses Geheimnis trugen, der Prinz, der Falke, die Seherin und die, die hier für die Göttin stand. Der treue Freund nahm das Geheimnis zuerst mit in sein Grab, er starb alsbald in einer Schlacht und ließ das Kind als sein Mündel zurück. Auch die anderen brachen ihr Schweigen nicht. Unwissend um ihr Geheimnis, liebte das Kind den Sohn des Falken und gebar später ihm ein Kind. Ein Erbe, nicht der von zwei Reichen, doch von dem Blut dreier Orden, den Sehern, den Hütern und jenen, die auf Flügeln die Helden zu den Göttern tragen. Ein Erbe, ein Geheimnis, das sich nicht offenbaren darf.«
Diesmal war es die Jüngste, die nun weitersprach.
»So wacht der Falke der Sarnesse über das Schicksal Aryns, bis der Erbe vor ihm steht«, sagte sie sanft. »Ein Erbe, der vergessen bleiben muss, bis die Welt dafür bereit ist. Du, Lorentha Evana Sarnesse, bist dieser Erbe dreier Orden und zweier Reiche. Und doch fordern wir, dass du verzichtest, fordern wir dieses Geheimnis von dir gewahrt. Dein Los ist es, ungekrönt zu bleiben, da dein Anspruch die Welt in Flammen setzen würde. Für Aryn muss es einen anderen Erben geben.«
Nacheinander legten die Seherinnen ihre Schleier über und verblassten vor den ungläubigen Augen und verschwanden, als wären sie nie da gewesen.
Raphanael fand als Erster seine Stimme wieder. »Unglaublich«, hauchte er ergriffen. »Eine Projektion von Ravanne bis hierher, das müssen gut zweitausend Meilen sein!«
»Das mag beeindruckend gewesen sein«, meinte der Kardinal verstimmt. »Aber vielleicht war es doch zu weit, ich habe nicht ein Wort verstanden!«
»Ich auch nicht«, sagte ein anderer Priester, und wieder andere nickten.
Die Augen der Hohepriesterin weiteten sich, und sie schaute zu Lorentha hin, die nur ein leichtes Nicken andeutete und nichts weiter sagte.
Dann trat die Hohepriesterin der Isaeth vor.
»Die Nachricht war nur für mich bestimmt«, log sie, zum ersten Male, seitdem sie in den Dienst ihres Glaubens getreten war, aber nur Lorentha sah den um Verzeihung heischenden Blick, den Raphanaels Schwester der Göttin zuwarf. Und ihr.
»Sie erklärten, was es mit diesem Falken auf sich hat. Er gehörte einst der Familie der Majorin Sarnesse und wurde der
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