Der Falke von Aryn
mache so etwas nie wieder!«
»Ehrenwort«, versprach er hastig. »Aber wenn du dich wieder erinnert hast, warum bist du nicht zurückgekommen?«
»Bin ich doch«, lächelte sie.
Er schnaubte. »Damals.«
»Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Damals, als ich noch ein Kind war, hatte mir meine Mutter eingeprägt, dass, wenn irgendetwas wäre, ich zum Gouverneur gehen sollte. Das tat ich also und versetzte jeden dort in helle Aufregung. Sie haben mich seit mehr als sieben Jahren für tot gehalten. Bevor ich mich versah, fand ich mich auf einem Schiff unterwegs nach Augusta, wo mein Vater lebte.«
»Du hast also noch Eltern?«
»Zumindest einen Vater, der leider wenig mit mir anzufangen wusste.« Sie sah sich in dem Gastraum um, musterte die Gäste, die Schankmädchen, die alten Bohlen und die rauchenden Kerzen. »Kein Wunder. Ich war mir auch selbst fremd. Die Jahre hier haben mich geprägt, ich passte nicht mehr in die enge Welt, in die mein Vater mich drängen wollte. Zwei Jahre später ging ich zur Garda. Ich hatte vergessen, wie man Spinett spielt oder ein Menuett tanzt, aber ich konnte mit Klingen umgehen, und ich fühlte mich dort wohler.«
»Du sagst, deine Mutter hätte mit dir in der Kutsche gesessen. Was ist mit ihr? Du hast nur deinen Vater erwähnt.«
»Die Kutsche wurde überfallen, und sie wurde ermordet. Sie hätte vielleicht eine Gelegenheit gehabt, sich ihrer Angreifer zu erwehren, aber sie versuchte mehr mich zu schützen als sich selbst. Sie ließen uns beide für tot liegen … den Rest der Geschichte kennst du ja.«
»Oh, verdammt«, fluchte er. »Bist du deshalb hier?«
Sie nickte. »Ich habe es lange vor mir hergeschoben. Diese Stadt übte schon immer eine seltsame Wirkung auf mich aus. Sie fasziniert und ängstigt mich zugleich. Wenn ich Albträume habe, dann finden sie immer in Aryn statt. Vor ein paar Monaten schickte mir Lord Mergton die Waffen meiner Mutter, sie haben die ganzen Jahre über in einer Kammer bei der hiesigen Garda gelegen, mit einem Brief dabei. Seitdem plagte mich der Gedanke, dass es noch etwas gibt, das ich unerledigt ließ …« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe ein paar Wochen frei bekommen und nahm ein Schiff hierher. Nur dass es dann anders kam … kaum war ich an Land gegangen, erhielt ich eine Nachricht des Gouverneurs, der mich zu sich bestellte. Etwas war geschehen, und er rief mich in den Dienst. Sag mal, wieso lebst du denn noch? Wieso haben dich Robarts Leute gehen lassen?«
»Haben sie nicht«, sagte Raban mit einem breiten Grinsen. »Sie dachten, ich hätte Robart sein zweites Grinsen in den Hals geschnitten, sie fanden ja mein Messer neben ihm. Sie hatten fast noch mehr Angst vor ihm als wir. In ihren Augen habe ich Robart und seinen Kumpel abgestochen und ihnen dabei noch einen Gefallen getan, zum Teil arbeiten sie jetzt sogar für mich.«
»Du warst damals gerade sechzehn«, sagte sie erstaunt. »Wie …?«
»Ich habe Robart abgestochen, das hat sie wohl beeindruckt. Da ich nichts weiter von ihnen wollte, wollten sie auch nichts von mir. So ist es im Prinzip geblieben. Ich habe mich sogar mit Valkins Vater darauf einigen können, dass wir uns gegenseitig in Ruhe lassen, solange er nur seinen zehnten Teil erhält. Ich glaube sogar, er hatte Angst vor mir.« Er lachte leise. »Du solltest mal hören, was es für Gerüchte gibt, die über mich in Umlauf sind. Und du? Bist du jetzt auf Rache aus?«
»Nein«, sagte sie und zeigte Zähne. »Wenigstens nicht an dir. Doch wenn du mir meinen Anteil nicht gegeben hättest, hätten wir das diskutieren müssen.«
Er sah sie an, blinzelte und lachte dann schallend. »Götter«, sagte er schließlich und grinste breit. »Wie habe ich dich vermisst! Schade, dass du bei der Garda bist, ich könnte jemanden gebrauchen, dem ich vertrauen kann.« Er wies mit der Hand auf den Gastraum. »Der alte Koven starb vor vier Jahren. Ich hab mich damals mit dem Gold hier eingekauft, jetzt gehört der Laden mir.«
»Raban«, sagte sie sanft. »Tu uns beiden einen Gefallen, ja?«
»Welchen?«, fragte er vorsichtig.
»Mach es wie der alte Koven. Kümmere dich nur um den Anker … und lass die Finger von allem anderen. Wenigstens solange ich in der Stadt bin.« Sie tippte mit dem Finger an die goldene Marke. »Der Wolf ist kein Scherz für mich. Ich bin Garda und habe einen Eid darauf geschworen. Wir kümmern uns nicht um jeden Mist, und mein Auftrag ist ein gänzlich anderer, aber wenn wir aneinandergeraten
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