Der Falke von Aryn
sollten, werde ich meine Pflicht tun. Und es bedauern.«
Er sah sie lange an und nickte langsam. »Wie lange wirst du hier sein?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht«, gestand sie. »Wahrscheinlich bis nach der Prozession. Dann sollte mein Auftrag beendet sein. Ob und wie lange ich danach noch bleibe, hängt von zu vielen Dingen ab, um dir jetzt eine Antwort geben zu können.«
»Gut«, sagte er. »Ich habe das eine oder andere laufen, das uns den Tag verderben könnte, wenn du davon erfährst. Ich brauche etwas Zeit, um mich daraus zu lösen, ein paar Tage, danach …« Er zuckte mit den Schultern. »Wenn du nicht alten Kram ausgräbst, sollten wir dann nicht mehr aneinandergeraten.« Er schaute sie ernsthaft an. »Ich würde das für niemand anders tun.«
»Ich weiß«, nickte sie. »Ich auch nicht.« Sie wies auf den zweiten Tisch weiter vorn im Gastraum. »Siehst du den alten Mann mit der schwarzen Mütze? Kannst du mir den Gefallen tun und dafür sorgen, dass er heil wieder an Bord seines Schiffs kommt?«
Raban beugte sich vor, um sehen zu können, wen sie meinte und lachte leise. »Immer noch dieselbe Loren«, sagte er schmunzelnd. »Ich könnte, ja, aber das ist nicht nötig. Das ist der alte Hannes Sturgess. Ihm gehören die Prinzessin Marga und ein paar andere Schiffe. Jeder Seemann, der etwas auf sich hält, würde sein linkes Ei dafür geben, für ihn fahren zu dürfen. Wenn jemand ihn angehen würde, hätte er die ganze Mannschaft auf seinen Fersen. Sturgess’ Leute würden für ihn durchs Feuer gehen, und das weiß man in der Stadt. Keine Sorge, ihm wird nichts geschehen.«
Das war ungewöhnlich, dachte sie. Das Leben zur See war hart, und es war eher üblich, dass eine Mannschaft ihren Kapitän mit Furcht oder gar Hass betrachtete.
»Was macht ihn anders?«, fragte Lorentha neugierig.
Raban zuckte mit den Schultern. »Man sagt ihm nach, er wäre ein guter Mann und stets gerecht. Viel mehr braucht es ja auch nicht, das ist schon selten genug.« Er legte den Kopf schief und sah sie fragend an. »Sturgess wird wohlbehalten zur Prinzessin zurückkehren. War das wahrhaftig alles, was du von mir willst?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich war seit vierzehn Jahren nicht mehr hier, und ich brauche deine Hilfe.«
»Gerne«, sagte er und musterte sie unter trägen Augenlidern. »Was bekomme ich dafür?«
»Alles, was sich mit meinem Eid vereinbaren lässt«, sagte Lorentha ohne zu zögern.
»Alles?« Er zog erheitert eine Augenbraue hoch. »So kenne ich dich gar nicht.«
»Fast alles«, verbesserte sie mit einem Lächeln. »Vielleicht ist es sogar möglich, dir die Bürgerrechte zu besorgen.«
Er pfiff leise durch die Zähne. »Du hast einen solch großen Einfluss?«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Der Gouverneur schuldet mir etwas dafür, dass er mir den Urlaub nahm.«
»Was muss ich dafür tun?«
»Fangen wir damit an, was du über die Personen auf dieser Liste herausfinden kannst«, sagte sie und schob ihm einen Zettel zu. »Sag mir, was du über diesen hier weißt.« Sie tippte mit der Fingerspitze auf den Namen ganz oben auf dem Zettel. »Lord Raphanael Manvare.«
Raban wollte gerade den Zettel zu sich heranziehen, jetzt erstarrte er in der Bewegung. »Was hast du mit ihm zu tun?«, fragte er vorsichtig. »Er kann nicht mit dem Mord an deiner Mutter in Verbindung gebracht werden, er war damals kaum älter als du, und ich bezweifle, dass die Garda hinter ihm her ist.«
»Raban«, sagte sie sanft. »Du weißt, ich liebe dich wie meinen Bruder, aber das geht dich nichts an. Sag mir einfach, was du über ihn weißt.«
Er musterte sie noch einen Moment länger und nickte dann. »Nun gut. Er ist der Neffe von Königin Jenann von Manvare. Seine Schwester ist die Hohepriesterin der Isaeth hier im Tempel, und er hat ein Weingut unweit der Stadt, das für seine Weine weit über das Land hinaus bekannt ist. Die wirst du bei uns nicht finden, unsere Gäste können sie sich nicht leisten. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
»Es geht mir nicht um Weine. Sag mir etwas über diesen Mann. Und erzähle mir nicht, dass du nicht mehr über ihn weißt. Ich kenne dich zu gut, um dir das zu glauben.«
Er seufzte. »Wenn du darauf bestehst. Er ist gefährlich. Ravanne besitzt Seher, das Kaiserreich seine Walküren und Manvare … hat den Orden der Hüter, wie er sich nennt. Lord Raphanael gehört diesem Orden an.«
»Er ist ein Magier?«, fragte Lorentha erstaunt. Eine unwesentliche
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