Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
Vom Netzwerk:
mich nichts an und …«
    Er folgte ihrer Hand mit seinem Blick, und seine Augen weiteten sich. »Ihr denkt wahrhaftig, ich arbeite in einem dieser Häuser?«, fragte er dann ungläubig.
    »Nun«, sagte sie etwas steif. »Es würde dieses Kleid erklären. Ich hörte …«
    Er fing schallend an zu lachen. »Hört auf«, bat er sie keuchend, kaum dass er den Atem dazu gefunden hatte. »Sagt nichts weiter … ich …« Er holte tief Luft, sah von dem Haus zu ihr und wieder zu dem Haus zurück und hatte sichtbar Mühe, sich zu sammeln. »Götter«, meinte er dann und wischte sich eine Träne aus den Augen, um sie kopfschüttelnd und mit einem breiten Grinsen anzusehen. »Sagt nichts weiter«, bat er sie erneut. »Bevor Ihr Euch noch weiter in Verlegenheit bringt.« Er zupfte an dem Ärmel seines Kleids. »Offensichtlich braucht Ihr eine Erklärung. Dies ist kein Kleid, sondern eine Robe. Ein vornehmes Gewand. In meiner Heimat trägt man eine solche Robe bei besonderen Gelegenheiten, bei Hochzeiten, Ehrungen oder anderen feierlichen Angelegenheiten. Diese spezielle Robe ist eine Gebetsrobe. Seht Ihr die goldenen Stickereien an den Säumen? Sie sollen einen an die vierundvierzig Weisungen der Göttin erinnern, ich befürchte, meine Schwester schenkte mir die Robe, weil sie daran zweifelt, ob ich mich dieser Weisungen noch vollständig entsinne. Ich trug diese Robe, weil ich …«
    »Weil Ihr im Tempel gebetet habt«, beendete Lorentha seinen Satz und stöhnte auf. Warum fand sie nie ein Loch im Boden, wenn sie eines brauchte? »Götter«, begann sie. »Ich dachte …«
    »Ich weiß, was Ihr dachtet«, grinste er. »Ihr braucht es nicht zu wiederholen. Und schaut …« Er hob die Robe an, damit sie den Blick auf ein paar vielleicht etwas dürre, aber in Hosen gekleidete Beine freigab.
    Lorentha spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg, etwas, das ihr schon seit Jahren nicht mehr passiert war. »Ich wollte nicht …«, stammelte sie, doch er hob die Hand, um sie zu unterbrechen.
    »Vergesst es«, meinte er großmütig und blickte noch einmal zu dem Hurenhaus hin, um kurz aufzulachen. »Wenn Ihr diese Art von Roben nicht kennt, ist es eine logische Schlussfolgerung, allerdings muss ich gestehen, dass ich nicht wusste, dass sich auch Männer in solchen Häusern verkaufen.« Er sah sie breit grinsend an. »Ist das der Grund, weshalb Ihr so spät in der Nacht …«
    »Götter!«, rief sie entsetzt. »Ihr denkt …« Dann sah sie, wie sein Grinsen noch breiter wurde, und hielt inne, um ihn misstrauisch anzuschauen.
    »Habt Ihr mich eben gefoppt?«, fragte sie fassungslos.
    »Nur, um Euch aus Eurer Verlegenheit zu helfen«, lachte er. »So wären wir also ausgeglichen. Wollen wir es damit auf sich beruhen lassen?«
    »Nur zu gerne«, sagte sie erleichtert und dachte bei sich, Göttin, gut dass keiner ihrer Kameraden bei der Garda das mitbekommen hatte, sie hätte in hundert Jahren noch davon gehört!
    »Kommen wir zurück zu Eurer Frage«, sagte er ernster. »Ihr habt gefragt, was geschehen ist. Wie gesagt, Ihr habt hier gestanden, dorthin geschaut«, er wies zu der Stelle, an der vor so vielen Jahren die Kutsche ihrer Mutter gestanden hatte. »Ihr habt aufgeschrien, als ob Dämonen an Eurer Seele zerren würden, und seid dann weinend zusammengebrochen. Ich stand dort drüben am Tempel, und als ich das sah, dachte ich, Euch wäre etwas zugestoßen, und ich bin so schnell wie möglich hergerannt, aber ich habe nichts erkennen können.« Bei dieser Gelegenheit sah er sich suchend um, aber ausnahmsweise gab es keine dunklen Gestalten, die sich in den Schatten herumtrieben, nur ein reich gekleideter, etwas dicklicher Mann, der sich seinen Hut vor das Gesicht hielt, als er hastig in seine Kutsche stieg. »Tatsächlich ist es heute Nacht hier ziemlich ruhig … dennoch, es ist nicht der beste Ort für so etwas.«
    »Was Ihr nicht sagt«, meinte sie, während sie beide der Kutsche hinterhersahen, die zur Straße hin fuhr. »Danke für die Schilderung, aber das war nicht Kern meiner Frage. Ihr habt irgendwie gewusst, was mir geschehen ist, und wusstet das Richtige zu tun.« Sie rieb sich bedeutungsvoll über ihre Wange. »Das sollt Ihr mir erklären.«
    »Ach, das«, meinte er nachlässig. »Das war nichts weiter.«
    Sie zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
    Er musterte sie mit einem schiefen Lächeln. »So leicht lasst Ihr mich nicht davonkommen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er seufzte. »Zuerst eine Frage … wart Ihr

Weitere Kostenlose Bücher