Der Falke von Aryn
Brotkrumen deines Lebens ab!«
»Die Magie gibt mir Macht und damit Verantwortung. Ich bin eine Sarnesse«, erklärte ihre Mutter ruhig, obwohl auch ihr die Tränen in den Augen standen. »Lorentha wird es verstehen, spätestens dann, wenn sie ihre Schwerter empfängt. Ich spüre jetzt schon ein Talent in ihr, das sogar das meine bei Weitem übersteigt. Auch sie wird eine Walküre werden.«
Bei diesen Worten richtete sich ihr Vater auf und wischte sich fast erbost die Tränen aus dem Gesicht, bevor er ihr dann entschlossen widersprach. »Nein, das wird sie nicht«, sagte er so bestimmt, wie Lorentha ihn niemals zuvor und auch nicht danach je gehört hatte. »Ich sterbe jedes Mal tausend Tode, wenn du dich auf einer deiner Reisen in Gefahr begibst, ich könnte es nicht ertragen, wenn sie in deine Fußstapfen tritt!«
»Du wusstest, dass ich für die Walküren bestimmt war«, sagte sie, während sie an ihn herantrat und ihm mit der Hand über die Wange fuhr. »Du wusstest, dass es so kommen würde.«
»Ja«, rief er verzweifelt. »Bei dir! Aber ich werde es nicht zulassen, dass ich auch noch unsere Tochter an das Reich verliere! Gehe du und rette das Reich, stelle dich dunkler Magie und Intrigen, aber ich werde immer hier sein, um auf dich zu warten und dafür zu beten, dass du gesund wiederkommst! Aber Lorentha werde ich lehren, dass es andere Waffen gibt als die aus Magie und Stahl. Ich werde ihr aus Gold eine Festung bauen und ihr zeigen, dass es ein anderes Leben gibt als eines, das darin enden wird, für einen undankbaren Kaiser zu sterben! Ich werde es nicht zulassen, dass auch sie sich beständig in Gefahr begibt!«
»Ja«, sagte ihre Mutter mit belegter Stimme, und in Lorenthas Erinnerung schien es ihr, als wäre es das einzige Mal gewesen, dass sie diese unerschütterliche Stärke missen ließ, die ihre Mutter so auszeichnete. »Ich weiß, dass du es versuchen wirst, Karl. Ich wünsche sogar, dass du Erfolg damit haben wirst, aber ich fürchte, du wirst scheitern. Es ist der Fluch unseres Geschlechts. Du wirst Lorentha nicht aufhalten können, es ist unser Schicksal; selbst wenn wir nicht die Gefahr suchen, sucht sie uns. Aber ich werde, solange ich lebe, dafür beten, dass es dir gelingt, unser Kind von diesem Weg abzubringen.«
»Dann gehe nicht!«, rief er leidenschaftlich. »Bleibe hier, helfe mir, unsere Tochter zu schützen und zu bewachen, von diesem Weg abzubringen! Auch das ist deine Pflicht, du bist ihre Mutter, und es ist nicht minder ehrenhaft! Du und ich, du mit deiner Magie und ich mit meinem Talent zum Gold, zusammen können wir sie beschützen! Ich zahle jeden Preis dafür!«
»Karl«, mahnte Evana ihren Gatten sanft. »Du ahnst nicht, wie gerne ich deinem Rat folgen würde, aber die Dinge sind, wie sie sind. Und noch nie hat jemand einen Weg gefunden, die Götter und das Schicksal zu bestechen.«
»Ich werde es tun«, versprach er vehement. »Ich werde diesen Weg finden. Für dich. Für sie. Für uns. Wenn du nur bleibst!«
Der ferne Raum schwand, aber sie hörte noch die letzten Worte ihrer Mutter. »Ich würde ja bleiben, Liebster, wenn ich es nur könnte …«
»Götter«, hörte sie die besorgte Stimme des Kutschers, und sie sah verwirrt auf, um festzustellen, dass die Kutsche am Wegesrand stand und der Kutscher vor ihr kniete und sie wohl schon eine ganze Weile geschüttelt hatte. So besorgt, wie er sie musterte, erinnerte nichts mehr an den knurrigen alten Mann, der ihr zuvor nicht einmal einen Gruß gegönnt hatte. »Wo seid Ihr bloß, Fräulein … seht Ihr mich denn nicht einmal?«
»Doch«, brachte sie mühsam hervor und wischte sich die Tränen ab, um sich anschließend zu einem Lächeln zu zwingen. »Es war eine Erinnerung«, versuchte sie zu erklären.
Der Kutscher sah sie besorgt an und schüttelte den Kopf. »Dann möchte ich nicht wissen, wessen Ihr Euch erinnert habt, es war, als hätte eine unsichtbare Faust Euch niedergeschlagen, um Euch in Euren eigenen Tränen zu ertränken, ach, Götter, was ist Euch nur so Furchtbares widerfahren?« Er nahm langsam die Hand von ihrer Schulter. Noch immer kniete er zwischen den Bänken im Fußraum, jetzt sah er sie mit vom Alter wässrigen Augen an. »Wenn diese Stadt solche Erinnerungen für Euch hält, ist sie nicht gut für Euch«, stellte er rau fest. »Ich weiß nicht, welche Pläne ihre Gnaden und der Graf schmieden, aber lasst Euch nicht weiter darauf ein, geht weg von hier!«
Den knurrigen Mann so in Sorge um sie zu
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