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Der Fall Carnac

Der Fall Carnac

Titel: Der Fall Carnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel-Aimé Baudouy
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ein Glas Wasser zu trinken. Als ich unten an der Treppe war, hörte ich, wie die Tür zum Salon knarrte. Aber die Tür war zu. Da kriegte ich Angst und bin die Treppe hinaufgerannt. Mama ist aus dem Schlaf hochgefahren. Es gab eine ziemliche Aufregung. Dann sind wir alle hinuntergegangen, aber wir haben nichts gesehen. Und Mama hat gesagt, wir seien nichts als Angsthasen.«
    »Jawohl! Aber am nächsten Tag habe ich den Salon untersucht. Im Salon fand sich nichts, nicht die geringste Spur. Da dachte ich an die Fenster. Und dort habe ich was gefunden. Jemand hatte versucht, einen der Fensterläden mit einem Brecheisen auszuheben. Das sah man ganz deutlich. Das Holz unten an den Brettern war gesplittert, und man sah sogar eine ganz frische Kratzspur auf dem Stein der Fensterbrüstung. Ich habe Anne gerufen, und sie hat es genauso gesehen wie ich. Und ihr könnt die Spuren auch noch anschauen.«
    »Ja«, bestätigte Anne. »Man sieht sie genau. Aber davon haben wir Mama nichts gesagt, weil ihr gerade geschrieben hattet, daß ihr für die Ferien zu uns kommen wolltet.«
    »Und nun heute... Das beweist doch, daß der Mann noch nicht auf seinen Plan verzichtet hat.«
    »Still!«
    Line stieß sich rasch ab und schwang nach hinten, und Anne schickte sich an, kräftig nachzuhelfen.
    Loute kam mit den Kleinen ums Haus.
    »Kommt ihr mit an den Strand?« rief sie von weitem. »Wollen wir baden?«
    »Heute nicht. Aber ich will euch die Stelle zeigen, wo ihr ohne Gefahr baden könnt.«
     
    Man mußte um die ganze Überholwerft herum. Es war ein riesiges Gebäude aus rotem Granit, mit Schieferplatten gedeckt. Ein Eckturm verlieh dem Haus ein herrenhaftes Aussehen, obwohl alle wußten, daß dieser Turm nichts anderes war als eine alte Windmühle. Der erste Käufer der Mühle hatte ein Haus an den Turm angebaut. Doch Alter und die Unbilden der Witterung hatten die Gebäude so fest zusammengeschweißt, daß sie jetzt Wie eines wirkten.
    Die Geschwister durchquerten den Park, der noch Spuren seiner einstigen Pracht aufwies. Doch die Hartriegelhecken, einst sorgfältig geschnitten, waren zu einem richtigen Dickicht geworden. Da war eine Tannenallee, von Unkraut überwuchert, Kamelienbuschgruppen wie kleine Wälder und Tamariskenhecken, die wie ein Dschungel die Umfassungsmauern verdeckten.
    Durch diese Mauer führte eine Pforte. Dahinter lagen der Kiefernwald, die Dünen und das tiefblaue Meer, das mit weißen Segeln übersät war.
    Der weiße Sand und die Wellenspiegel warfen das Licht der sinkenden Sonne noch hell zurück.
    Es badeten nur wenige Menschen. Der eigentliche Strand war weit entfernt, er lag hinter der Landspitze, wo sich Hotels und das Kurhaus befanden. Hier, wo die Küste aus lauter winzigen Buchten bestand, saßen nur einige Familien um vielfarbige Sonnenschirme friedlich versammelt.
    Jede Bucht hatte ihre Stammgäste, und man besuchte sich gegenseitig von Bucht zu Bucht.
    Die Kaninchenbucht war den Bewohnern der Überholwerft vorbehalten. Ludwig behauptete, daß die Kaninchen, die das Dickicht des Parks bevölkerten, die Sitten genau kannten und niemals andere Buchten aufsuchten. Zeugnis dafür legten die zahllosen Häufchen kleiner brauner Kugeln ab, die ihren Weg über die Dünen bezeichneten.
    Gerhard und Genoveva beschlossen auf der Stelle, in der nächsten Nacht bei Vollmond hierherzukommen und den Kaninchen beim Baden zuzusehen.
    Heute war es zu spät zum Baden, und außerdem hatte sich das Meer während der Ebbe hinter die Landspitze zurückgezogen, so daß die Bucht fast trocken lag.
    Line erkannte sofort, daß diese Stelle ideal für die Kleinen sei. Hier waren sie leicht zu beaufsichtigen. Sie konnten im Wasser planschen, wie es ihnen gefiel, und sogar an den tieferen Stellen die ersten Schwimmstöße versuchen.
    Trotzdem gab Loute einen Ratschlag nach dem andern, und Line spürte genau, wie schwer es ihr wurde, die Kinder zu verlassen.
    Und sofort dachte sie an ihre Eltern und an den Abschiedsschmerz an diesem Morgen. Es war ja erst einige Stunden her, und doch schien es ihr, als wären Jahre vergangen, seit sie auf dem Bahnhof Montparnasse abgefahren waren. Wie weit Paris entfernt lag! Und Mama! Und Papa!
    »Na, mein Kätzchen«, sagte Loute und legte ihr den Arm auf die Schulter, »ein wenig Heimweh? Wird’s denn gehen?«
    »O nein«, erwiderte Line lebhaft. »Es wird alles sehr gut gehen. Wir freuen uns so, daß wir alle zusammen sind.«
    »Tut es dir denn nicht leid, daß du nicht nach Spanien gefahren

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