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Der Fall Carnac

Der Fall Carnac

Titel: Der Fall Carnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel-Aimé Baudouy
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bist?«
    »Aber gar nicht!«
    Loute spürte, daß Line die Wahrheit sagte und daß sie gern in der Überholwerft war.
    »Das freut mich«, erwiderte sie. »Aber du wirst viel zu tun haben. Du bist die Älteste. Das ist eine große Verantwortung. Hast du keine Angst davor?«
    »Ganz und gar nicht!« rief Line lachend. »Weißt du, ich verstehe es schon, mich durchzusetzen, sogar Peter gegenüber.«
    Und plötzlich stand das Wort »Angst« vor ihrem Geist, doch in einem völlig andern Sinn, als Loute ihn dem Wort gegeben hatte.
    Loute wußte nichts von diesen geheimnisvollen Einbruchsversuchen. Sie kannte die Gefahr nicht, die der Überholwerft drohte, und machte sich nur Sorgen, weil sie die Kinder allein lassen mußte.
    Einen Augenblick lang fühlte sich Line versucht, ihr alles zu gestehen. Doch in diesem Fall würde Loute — das stand fest — auf ihre Stellung als Krankenschwester verzichten, und dann hätten sie gar nicht erst herzukommen brauchen.
    Was sollte sie tun?
    Loute selbst befreite sie aus der Verlegenheit.
    »Wer zuerst am Haus ist!« rief Loute plötzlich und stürmte den Hang der Düne hinan.
    Sofort sausten alle los; es gab ein verrücktes Wettrennen, Schreie und entrüstete Rufe der Kleinen, die bald weit zurückblieben. Loute nahm sie bei der Hand und lief mit ihnen hinter den vier Großen her. Lachend und lärmend erreichten sie das Haus.
    Line, die sich an dem Rennen beteiligt hatte, brach aus einem überwachsenen Weg neben dem Turm hervor. Die Überholwerft lag grau in der Dämmerung und glich mit ihren geschlossenen Fensterläden einem finsteren Gesicht, das nicht sehen wollte.
     

Fünftes Kapitel
     
    Der Abend würde sehr fröhlich, und der quälende Drude, der auf Line gelastet hatte, verflog rasch.
    Loute wollte nicht, daß wegen ihrer Abreise Trübsal herrschte. Schließlich fuhr sie ja nicht weit, und die Kinder konnten sich jederzeit mit Hilfe des alten Kurbeltelefons an der Wand im Korridor mit ihr unterhalten.
    Es wurde verabredet, daß Anne oder Ludwig jeden Morgen um acht und jeden Abend um zwanzig Uhr Bericht über die Ereignisse des Tages geben sollten. Während Genoveva und Gerhard den Tisch im Eßzimmer deckten, machten Anne und Line die Schlafzimmer der Jungen und die der Mädchen fertig.
    Das Haus hallte von Rufen wider.
    »Loute, wo sind die kleinen Löffel?«
    »In der linken Schublade!«
    Und aus dem Obergeschoß rief Line, über das Treppengeländer gebeugt: »Loute, Anne kann die Kopfkissenbezüge nicht finden.«
    »Im Wäscheschrank in der kleinen Kammer, im untersten Fach.«
    Ludwig und Peter hatten den Auftrag erhalten, sich um Kikri und die Tauben zu kümmern. Doch in Wirklichkeit zeigte Ludwig Peter die Spuren des Einbruchsversuchs am Salonfenster.
    »Mein Gott!« rief Loute plötzlich. »Die Milch! Ludwig, fahr rasch und nimm Peter mit! Und haltet euch nirgends auf. Das Abendessen ist sofort fertig.«
    Die beiden Jungen schwangen sich auf die Räder und fuhren hintereinander über die Heidewege.
    Sie fuhren um den Hügel, auf dem Carnac in einiger Entfernung vom Meer liegt, nur durch eine Senke mit Salzbecken vom Wasser getrennt.
    Die roten und malvenfarbenen Töne des Sonnenuntergangs spiegelten sich in den stillen Wasserflächen. Einige Salzhaufen bildeten weiße Flecke, auf denen Arbeiter mit großen Holzrechen beschäftigt waren. Peter nahm diese Bilder auf und fand, daß die Salzbecken an Reisfelder erinnerten, die er in seinem Erdkundebuch gesehen hatte.
    Aber er war zu sehr an Ludwigs Bericht interessiert, als daß er der Landschaft viel Beachtung geschenkt hätte.
    »Wir müssen die Burschen vom Campinggelände beobachten. Vor allem die, die überall herumschnüffeln. Im vorigen Jahr sind mehrere Diebstähle begangen worden. Und alle haben die Touristen vom Campingplatz beschuldigt.«
    »Natürlich, die Überholwerft liegt ziemlich einsam. Genau das Richtige für Leute, die was im Schilde führen. Wir können Wachposten mit Ablösung einrichten...«
    »Ich hatte schon an einen Beobachtungsposten oben auf dem Turm gedacht.«
    »Man könnte ihnen auch eine Falle stellen. Alle gemeinsam Weggehen und dabei viel Lärm machen; wir könnten zum Beispiel sagen, wir wollten ein Picknick bei La Trinité veranstalten. Und dann kehren du und ich zurück, schleichen uns vorsichtig durch die Heide, und wenn der Kerl kommt, rufen wir die Gendarmerie an. Selbst wenn es ihm dann gelingt auszureißen, haben wir ihn gesehen, und er weiß, daß er entdeckt ist. Er wird in

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