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Der Fall Carnac

Der Fall Carnac

Titel: Der Fall Carnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel-Aimé Baudouy
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Gefieder.
    Als der Junge vom Fahrrad sprang, schlug der Hahn mit den Flügeln, fand das Gleichgewicht jedoch bald wieder. Mit aufgerecktem Hals, die Krause kampflüstern gesträubt, drehte er den Kopf nach rechts und nach links, um alles mit seinen lebhaften Augen zu beobachten.
    Die Freude der Pariser war so groß, daß Loute ihren Ärger nicht allzu deutlich zeigen wollte.
    »Das ist doch töricht, Ludwig!«
    »Er kann nichts dazu«, sagte Anne. »Wir hatten Kikri ins Hühnerhaus gesperrt, aber er ist ausgebrochen und uns nachgelaufen.«
    Inzwischen waren alle ausgestiegen und hatten nach den freundschaftlichen Umarmungen einen Kreis um Kikri gebildet. Die Pariser wollten ihren Augen kaum trauen. Doch der Hahn wirkte auf seinem Platz so zufrieden und betrachtete die Welt mit einem solchen Hochmut, daß die Kleinen tief beeindruckt waren. »Beißt er?« fragte Genoveva.
    »Er ist das reinste Lamm.«
    »Außer zu Fremden. Neulich hat er dem neuen Briefträger, den er nicht kannte, die Hose zerrissen.«
    »Und erst die Hunde! Hunde kann er nicht ausstehen. Er wird schon wütend, wenn sich nur einer in die Nähe des Hauses wagt.«
    »Wir müssen weiter, Kinder, damit wir nach Haus kommen. Und ihr beide fahrt vorsichtig mit euerm Kikri!«
    »Wir werden eine Wettfahrt machen.«
    »Ludwig, ich bitte dich.«
    »Das war doch ein Spaß, Mama.«
    Ludwig stieg auf sein Fahrrad, und Kikri drängte sich an seine Brust und lüftete die Flügel, als wolle er den Fahrwind stärker genießen.
     
    Sie näherten sich Carnac. Heide und Kiefernwälder wechselten längs der Straße miteinander ab.
    Vom Gipfel einer kleinen Anhöhe sahen sie in der Feme das blaue Meer, die weißen Dünen, den langen violetten Zug der Halbinsel Quiberon und die roten, gelben, blauen Zelte eines Campinggeländes.
    Und plötzlich waren sie auf dem Feld der Menhire, der Hünensteine.
    »Morgen kommen wir hierher und fotografieren die Steine«, rief Line.
    Kinder, die am Straßenrand hockten, schossen auf den Wagen zu, doch als sie Loute erkannten, riefen sie lachend »guten Tag« und machten kehrt.
    »Was wollten die denn?« fragten die Kleinen.
    »Wißt ihr das nicht mehr?« rief Line. »Sie haben uns doch mal die Sage der Menhire erzählt.«
    »Und die vom heiligen Kornelius!«
    »Und warum erzählen sie die Legenden?«
    »Weil sie sehr arm sind«, erwiderte Loute. »Die Touristen schenken ihnen ein paar Münzen.«
    »Und warum haben sie sie uns nicht erzählt?«
    »Weil wir sie kennen.«
    »Ich kenne sie nicht«, sagte Genoveva.
    »Ich auch nicht«, stimmte Gerhard ihr zu.
    »Ihr könnt sie von uns hören«, rief Line, »dann könnt ihr sie auch den Touristen erzählen. Da schaut!«
    Ein großer schwarzer Wagen, der sie eben überholt hatte, wurde von einer andern Kindergruppe bestürmt.
    Der Wagen hielt, und ein Herr im grauen Anzug, sehr dick und braungebrannt, stieg aus. Sofort umdrängten ihn die Kinder, und er drückte freundschaftlich die Hände, die sich ihm entgegenstreckten.
    Als der Citroën vorüberfuhr, grüßte der dicke Herr Loute sehr zuvorkommend. Er verbeugte sich tief, und etwas Goldenes blitzte an seiner rechten Hand auf. »Das ist Don Ameal«, sagte Loute. »Er ist sehr freigebig zu den Kindern dieser Gegend.«
    »Ist er Spanier?«
    »Ich glaube. Ihr werdet ihn kennenlernen. Er kommt oft in die Überholwerft. Er wird euch ungewöhnliche Geschichten erzählen.«
     

Viertes Kapitel
     
    »Ich erkenne alles wieder!« rief Line, als der Wagen von der Straße abbog und in die Zypressenallee einfuhr. »In den zwei Jahren hat sich nichts verändert.«
    »Leider doch. Es hat sich manches verändert«, seufzte Loute. »Und dabei ist noch soviel zu tun: die Bäume zu beschneiden, das Gras zu mähen, das Portal auszubessern, große Stücke des Mauerwerks neu zu verfugen. Dieses Haus ist ein Faß ohne Boden. Die Reparatur des Daches hat mich ein Vermögen gekostet... Aber das konnte ich nicht mehr aufschieben, es drohte alles einzustürzen.«
    Als sie vor dem Haus hielten, sahen sie die beiden Fahrräder an der Mauer stehen. Anne und Ludwig waren schon da.
    »Diese beiden Narren!« rief Loute. »Bloß um eher dazusein, haben sie den Richtweg durch die Heide genommen und dabei riskiert, sich das Genick zu brechen.«
    Sie rief: »Anne! Ludwig! Wo steckt ihr?«
    Anne kam sofort um die Hausecke gelaufen. Sie hatte eine Armsündermiene aufgesetzt, als sei sie bei einer Übeltat erwischt.
    »Was ist passiert? Seid ihr gestürzt?«
    »Aber nein. Gar

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