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Der Fall Carnac

Der Fall Carnac

Titel: Der Fall Carnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel-Aimé Baudouy
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Jungen, herrschte Schweigen.
    Es mußte schon sehr spät sein. Sie schlich zum Kamin. Die Bronzeuhr, auf der hingestreckt ein schiffbrüchiger Fischer lag, zeigte ein Viertel vor zwölf. Sie mußte vor Jahrhunderten stehengeblieben sein.
    In diesem Augenblick vernahm sie Stimmen und das Brummen eines Motors, das sich sofort entfernte. Loute fuhr ab.
    Line blieb einen Augenblick unbeweglich mitten im Zimmer stehen. Alle Gedanken vom Abend zuvor schossen ihr wieder durch den Kopf. Die Überholwerft, die Bedrohung, die über dem Haus lastete, die Rolle, die sie selbst spielen mußte...
    Die Tür zum Nachbarzimmer öffnete sich. Peter schob den struppigen Kopf durch den Spalt und war noch ganz verschlafen.
    »Wie spät ist es denn? Zuerst mal guten Morgen!«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht acht.«
    »Ich habe einen Wagen gehört.«
    »Das war Loute. Sie ist eben abgefahren.«
    »Ob wir auf stehen? Ludwig ist schon auf gestanden.«
    »Anne auch. Weck Gerhard nicht! Wir können ja hinuntergehen.«
    Die großen Schalen aus braunem Ton standen schon auf dem Tisch im Eßzimmer.
    »Warum seid ihr denn schon auf?« rief Anne. »Ihr habt doch Ferien.«
    »Ich habe geschlafen wie ein Klotz«, erwiderte Peter. »Und ich fühle mich ganz in Form.«
    Er setzte sich an den Tisch, als ob das Frühstück schon aufgetragen wäre.
    In diesem Augenblick kam Ludwig ins Zimmer; ihm folgte der Hahn, der von der Schwelle aus alles mit strenger Miene betrachtete.
    Peter streckte die Hand nach ihm aus. Der Hahn zog rasch den Kopf zurück und rief: »Kri! Ki! Kri!« wie eine Warnung.
    »Ihr müßt euch erst kennenlernen«, sagte Ludwig. »Zu uns ist er sehr sanft und zutraulich, aber wer ihm nicht behagt, den möchte er am liebsten zerreißen.«
    »Und sehr übelnehmerisch ist er! Neulich hat er sich auf den neuen Briefträger gestürzt, weil der ihm nicht guten Morgen gesagt hat, als er über den Hof ging. Er ist ihm auf die Schultern geflogen und hat auf seine Mütze losgehackt. Mama mußte ihn einsperren.«
    Doch auf Peter ging Kikri gemessenen Schrittes zu und hob die Pfote ganz hoch, ehe er sie auf die roten Steinplatten setzte.
    »Vor allen Dingen beweg dich nicht!« sagte Anne. »Und hab keine Angst!«
    »Ich habe doch keine Angst«, erwiderte Peter.
    Im gleichen Augenblick sprang der Hahn mit flatternden Flügeln hoch und setzte sich auf Peters Knie, der den Kopf erschrocken zurückzog.
    »Kri! Ki! Kri!« machte der Hahn. Aber er blieb sitzen, plötzlich ganz friedlich, und neigte das runde Auge über die Tonschale.
    Line lachte schallend. Peter schien sich nicht sehr behaglich zu fühlen.
    »Brock ihm Brot in die Schale! Dann ist alles in Ordnung. Bloß streicheln darfst du ihn nicht, das kann er nicht leiden. Sprich nur zu ihm!«
    »Na, mein Schöner... mein Kleiner... du bist mein lieber Freund, nicht wahr?« schmeichelte Peter mit seiner sanftesten Stimme.
    Der Hahn neigte den Kopf nach rechts, nach links, dann machte er sich daran, mit fieberhafter Hast aus der Schale zu picken.
    Als die Zwillinge hereinkamen, fuhr er zusammen. Mit einem Flügelschlag sprang er auf den Tisch und stieß einen hallenden Alarmschrei aus.
    »Setzt euch rasch!« sagte Anne. »Bewegt euch nicht. Beschäftigt euch auch nicht mit ihm, dann ist alles in Ordnung.«
    Wenige Minuten später waren die sechs Kinder um den Tisch versammelt, an dem Kikri den Vorsitz führte. Der Hahn betrachtete ein Kind nach dem andern, als wolle er sich ihre Gesichter genau einprägen. Kaum war die Mahlzeit beendet, als das Telefon schrillte. Es war Loute. Sie benutzte eine ruhige Minute, um sich das Neueste mitteilen zu lassen.
    »Alles ist in Ordnung«, sagte Anne. »Wir haben eben gefrühstückt. Kikri ist bei uns auf dem Tisch. Wir haben alle mit gutem Appetit gegessen. Einen Augenblick!«
    Anne gab den andern ein Zeichen, und einer nach dem andern kam ans Telefon und sagte Loute guten Tag. »Nun noch etwas anderes«, sagte Loute.
    Anne griff wieder nach dem Hörer. Sie winkte den andern zu schweigen, die nur ihre Antworten hören konnten.
    »Ja... gut... verstanden... Sei unbesorgt, wir werden alles so gut vorbereiten, wie wir können... Die Möbel und das Kupfer. Gut. Die Kaminplatte auch, mit dem Feuerbock. Gut... ja... Wir werden sofort damit anfangen. Auf Wiedersehen, Mama, mach dir nur keine Sorgen um uns!«
    Anne hängte auf.
    »Ist das Don Ameal?« fragte Ludwig.
    »Ja. Er kommt heute nachmittag.«
    »Don Ameal?« fragte Peter.
    »Das ist ein reicher Spanier. Er ist

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