Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
er Ulvi ermuntert, der Polizei dennoch zu sagen, wo die Peggy versteckt ist. »Die sind ja jetzt alle traurig. Sag halt der Polizei, wo das Mädchen ist, damit es endlich mal ordnungsgemäß beerdigt wird«, habe er Ulvi beschworen. Aber diesem sei dann noch ein Grund eingefallen, aus dem er lieber schweige: »Der weiß halt, dass er dann nie mehr rauskommt von seiner Zelle«, so Hermann.
»Was ist denn Ihr persönlicher Eindruck über das, was er erzählt hat?«, will einer der Beamten wissen.
»Also, mein persönlicher Eindruck, ich meine, ich hab ja viele Gespräche gehabt mit ihm. Also, mein persönlicher Eindruck ist, dass er sie also praktisch, ich sag halt einmal umgebracht hat.«
Ein Eindruck, dem sich die Polizisten bereitwillig anschließen. Sie glauben dem V-Mann so sehr, dass sie sich von ihm auch noch die übrigen Details des angeblichen Tathergangs schildern lassen, die das Gericht später genau so ins Urteil schreiben wird. Etwa den Zeitpunkt, zu dem Ulvi Peggy getötet haben soll. Tim Scholz, der vermeintliche Helfer bei der Beseitigung der Leiche, sei kurz nach 14 Uhr gekommen. »Zu diesem Zeitpunkt war sie schon tot gewesen«, so Hermann gegenüber den Ermittlern.
Wie wichtig der einstige V-Mann für die weiteren Ermittlungen inzwischen war, zeigen auch die folgenden Fragen, die bis in den Prozess hinein ihre Wirkung entfalten sollten. Die Ermittler hatten sich in der Zwischenzeit etwa mit Ulvis Alibi beschäftigt. Hermann sollte ihnen helfen, es zu widerlegen: »Hat der Ulvi was erzählt, ob er an dem Tag beim Holzmachen war bei irgendjemand?«, wollen die Beamten wissen.
»Nein.«
Ob da vielleicht schon in den Tagen zuvor etwas zwischen Ulvi und Peggy vorgefallen war? Hermann weiß auch das: »An dem Donnerstag eine Woche zuvor war sie bei ihm, genau.«
Frage: Und was war da, was hat er darüber erzählt?
Antwort: Nun ja, da hat sie halt das Übliche gemacht.
Frage: Was denn?
Antwort: Na, sie hat ihn halt befriedigt, so hat er es zwar nicht gesagt, er hat gesagt, »die hat mir einen runtergeholt«.
Überhaupt habe Ulvi mehrfach erzählt, er habe die Peggy »schon öfter gefickt. Also, na ja, er hat halt, je nachdem, er hat sie mal gefickt, und dann hat sie ihm wieder einen geblasen.«
Frage: Weiß der Ulvi, was ficken ist?
Antwort: Nein, weiß er nicht, aber das sind halt seine Worte.
Die Beamten wollen ganz sichergehen. Wie sei das noch mal mit dem Zettel und der Wegbeschreibung gewesen? »Kannst du uns das kurz erklären?«, fragen sie, Hermann nun vertraulich duzend. Der antwortet weitschweifig, räumt ein, dass Ulvi ihm den Zettel im Vorbeigehen zugesteckt habe, er also eigentlich nicht direkt gesehen habe, wie diese Notiz zustande gekommen sei. Dann, entwaffnend ehrlich: »Ich hab ja dann später erfahren, dass das ein Pfleger aufgeschrieben hat.«
Zum Schluss dann die Frage: »Warum willst du der Polizei helfen?«
»Ja, Mann, schließlich geht’s auch um ein Verbrechen, und ich will es auch zu der Tataufklärung führen.« Hermann lässt noch ein Bekenntnis folgen: »Solche Straftaten sind also meiner Meinung nach abscheulich und abschreckend, und solche Menschen, die gehören eigentlich ihr Leben lang verwahrt.«
Teil 2
Der Fall wird abgeschlossen
Kapitel 16
Das Geständnis
D ie folgenden zwei Monate verbringt die Soko Peggy damit, das entscheidende Verhör mit Ulvi Kulac vorzubereiten. Das Ziel: ihn dazu zu bringen, endlich auch gegenüber der Polizei den Mord an Peggy zuzugeben und nicht nur im vertraulichen Plausch mit dem Mitgefangenen Hermann.
Dabei überlassen die Ermittler nichts dem Zufall. Bei einer Dienstbesprechung am 30. April – einen Tag, nachdem das letzte Gespräch mit Hermann stattgefunden hat – legen die Beamten das Szenario des Verhörs sorgfältig fest. Zum Vernehmungsteam sollen ausschließlich männliche Beamte gehören. Einer soll die »Vaterfigur« spielen, ein jüngerer Kollege Ulvi mit der »Situationsdarstellung« konfrontieren. Der Lichtenberger Polizist Wolfgang Hamann, der Ulvi schon lange persönlich kennt, wird für die Rolle der »Vertrauensperson« ausgewählt. Ulvi nennt den Beamten »Hamannvadder«. Hamann, so das entworfene Szenario, soll auch dabei sein, wenn Ulvi zum Verhör gebracht wird, »und dabei verdeutlichen, dass er für die Zeit der Vernehmung greifbar ist«. Das Verhör selbst soll auf keinen Fall in den Räumen der Soko in Hof stattfinden, weil die für Ulvi »bereits negativ belegt« seien. Die psychiatrische
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