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Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Titel: Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Jung , Christoph Lemmer
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Klinik, in der Ulvi untergebracht ist, scheidet als Vernehmungsort aus, weil der mutmaßliche Täter dort einen »Heimvorteil« haben würde.
    Die Beamten legen sogar fest, was sie von Ulvi Kulac hören wollen. Sie gleichen in ihrer Besprechung Horns Tathergangshypothese mit den letzten Aussagen von Fritz Hermann ab: Ulvi habe Peggy vergewaltigt, und um dies zu vertuschen, habe er das Mädchen erwürgt. Vielleicht habe er nicht vorgehabt, sie zu töten, aber das Geschehen sei womöglich eskaliert, so dass er keinen anderen Ausweg gesehen habe.
    Abschließend diskutieren die Ermittler, wie sie das Verhör dokumentieren wollen. Eine Videoaufzeichnung verwerfen sie, weil sie fürchten, eine sichtbar aufgestellte Kamera könne Ulvi ablenken. Am Ende entscheiden sie, das gesamte Verhör, das schließlich am 2. Juli 2002 stattfinden sollte, auf Tonband aufzuzeichnen – »um den Fluss der Vernehmung nicht zu stören«.
    *
    Am frühen Morgen des 2. Juli 2002 holen die Beamten Ulvi aus der psychiatrischen Klinik ab und fahren mit ihm in die Bayreuther Direktion. Sein Anwalt Wolfgang Schwemmer ist bei dem Verhör dabei, das so ganz anders abläuft, als die Beamten gehofft haben. Ulvi leugnet hartnäckig, Peggy ermordet zu haben. Bei dieser Haltung bleibt er auch, als seine Vernehmer Michler und Grieshammer ihn damit konfrontieren, dass auf einem seiner Overalls angeblich Blutflecken gefunden worden seien. Die Kripo hatte Elsa Kulac schon im Juni gebeten, einige Kleidungsstücke ihres Sohnes zur Verfügung zu stellen. Dass man auf dem Overall keineswegs Blutflecken gefunden hatte, weiß Ulvi zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Beamten selbst mögen mit dieser Information nach bestem Wissen gehandelt haben – ihr Chef Geier offenbar nicht. Doch dazu später mehr.
    In Wahrheit jedenfalls war der Vorhalt mit den Blutflecken nur ein Bluff. Genützt hat er nichts, ebenso wenig wie das ganze ausgeklügelte Setup der Vernehmung. Ulvi hatte seine Unschuld beteuert, wie üblich.
    Gegen 10.40 Uhr ist das Verhör beendet. Anwalt Schwemmer setzt sich noch kurz mit Soko-Chef Geier in einem anderen Zimmer außer Hörweite zusammen und verlässt dann das Gebäude. So jedenfalls gibt es Geier später in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft wieder.
    Ulvi wird in der Zwischenzeit von Beamten in den Hof des Polizeigebäudes geführt, wo das Auto wartet, das ihn in die Psychiatrie zurückbringen soll. Dort habe es dann eine Überraschung gegeben, erklärt Ermittler Grieshammer später: »Hamann hat mit Ulvi geredet. Ulvi muss ihm gesagt haben, er habe doch noch nicht alles gesagt. Daraufhin sind wir wieder hoch ins Vernehmungszimmer.«
    Über das, was der Beschuldigte nun gesagt haben soll, gibt es – anders als geplant – keinen wörtlichen Mitschnitt. Das Tonbandgerät sei ausgerechnet jetzt kaputtgegangen, erklärt die Polizei später. Ulvis Betreuer hingegen erheben heute einen schlimmen Vorwurf: Es habe einen Mitschnitt gegeben, aber der sei unter dubiosen Umständen verschwunden. Fakt ist: Ausgerechnet vom wichtigsten Verhör der Peggy-Ermittlungen existiert nur ein Gedächtnisprotokoll. Unterschrieben ist es von drei Polizisten: Polizeihauptmeister Hamann aus Lichtenberg, Kriminalhauptkommissar Michler vom bayerischen Landeskriminalamt und Kriminaloberkommissar Grieshammer von der Münchner Mordkommission.
    In diesem Geständnis soll Ulvi detailliert geschildert haben, wie er Peggy ermordete und was hinterher mit der Leiche passierte. Der Tathergang entspricht im Wesentlichen dem, was V-Mann Hermann ausgesagt hatte – und den das Gericht später für wahr erkennen sollte. Ulvi habe Peggy nach der Schule am Henri-Marteau-Platz abgepasst, um sich bei ihr für die angebliche Vergewaltigung vom 3. Mai zu entschuldigen. Sie sei vor ihm weggelaufen, um den Schlossberg herum zur Hermannsruh. Er habe sie verfolgt und mehrfach aufgefordert, stehen zu bleiben. Am Ende des Weges sei Peggy über einen spitzen Stein gestolpert und gefallen, da habe er sie eingeholt. Sie habe am Knie geblutet, er habe ihr aufgeholfen, aber sie habe nur wie wild geschrien. Ulvi habe ihr Schokolade versprochen, wenn sie über die vorangegangene Vergewaltigung schweige. Dann habe sie sich losgerissen, sei davongelaufen, am Fuß der Treppe hinauf zum Schlossberg aber erneut gefallen. Wieder habe sie sehr laut geschrien, Ulvi habe befürchtet, jemand könne sie hören. Darum habe er sie mit der einen Hand am Nacken gepackt und die andere Hand in ihr Gesicht gedrückt:

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