Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fall Sneijder

Der Fall Sneijder

Titel: Der Fall Sneijder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Paul Dubois
Vom Netzwerk:
Allergien bekannt?«
    »Nein.«
    »Keine neuen Tiere?«
    »Doch. Seit Montag habe ich den ganzen Tag mit Hunden zu tun.«
    »Na bitte. Sie sind allergisch gegen Hundehaare. Haben Sie zu Hause Hunde?«
    »Nein, auf der Arbeit. Ich bin Hundeausführer.«
    »Tja, das wird kompliziert. Entweder machen Sie eine Desensibilisierung, das kann jedoch dauern, oder Sie tragen ständig Handschuhe und versuchen, so wenig wie möglich Hautkontakt zu haben, oder Sie wechseln den Beruf. Jedenfalls müssen Sie etwas zur Linderung der Symptome nehmen. Eine Kortisonsalbe zum Auftragen auf die Haut, und, wenn das nicht ausreicht, Kortikoide.«
    Ich kam erst gegen Mittag bei DogDogWalk an. Ich hatte Charisteas Bescheid gegeben, dass ich später käme, weil ich zum Arzt müsse. Neugierig, indiskret, hüpfend wie ein Eichhörnchen im Frühling erwartete er mich an der Tür.
    »Na? Alles in Ordnung?«
    »Alles in Ordnung.«
    »Was hat der Arzt gesagt?«
    »Ich habe ein Ekzem. Eine Hundeallergie.«
    »Sie machen wohl Witze. Ich höre zum ersten Mal, dass jemand eine Hundeallergie hat. Die Leute sind gegen Katzen,gegen Milben allergisch, aber nicht gegen Hunde. Und ausgerechnet Sie muss es treffen. Was wollen Sie jetzt machen?«
    »Kortison nehmen.«
    »Sagen Sie, Sie werden doch nicht etwa kündigen?«
    »Im Moment nicht.«
    »Gut, jedenfalls werden Sie keine Hunde mehr bürsten. Jemand anders wird das übernehmen. Sie machen bloß die Spaziergänge. Ich nehme an, Sie brauchen dazu Handschuhe? Ich habe welche. Man kann nicht gerade behaupten, dass Sie ein Glückspilz wären. Nein, das kann man wirklich nicht sagen.«
    Charisteas winkte mich in sein Büro. Während er die Tür hinter mir schloss, sagte er:
    »Ich habe noch eine gefunden.«
    »Eine was?«
    »Eine weitere Palindromzahl: 1021. Sehen Sie nur: 1021 mal 1201 macht 1 226 221. Ich habe sie vorhin gefunden. Die anderen waren schön, aber diese hier erscheint mir noch reiner mit der 6 in der Mitte als Scharnier.«
    »Darf ich Sie fragen, warum Sie das tun?«
    »Was tun?«
    »Diese Suche nach besonderen Zahlen.«
    Charisteas erstarrte, als hätte man ihm gerade mitgeteilt, dass Limassol wieder von den Türken eingenommen worden wäre. Nachdem er sich gefangen hatte, beichtete er mir mit leiser Stimme, was für ihn ganz untypisch war:
    »Ich weiß es nicht. Ich habe das schon immer getan. Ich habe immer seltsame Dinge mit Zahlen gemacht.«
    Den ganzen Nachmittag über versuchte ich zu arbeiten, ohne an das zu denken, was mir am Vortag zugestoßen war, andiesen unangenehmen Zustand der Prostration, in den ich am Ende des Tages verfallen war. Ich wusste, dass ich an diesem Abend denselben Weg mit demselben Tier gehen würde. Dieser ohnmächtige Moment hatte mich stärker verunsichert, als ich es zugeben wollte. Zumal mich diese Szene, die ich im Nachhinein rekonstruiert hatte, an ein religiöses Bild aus meiner Kindheit erinnerte, das mich damals sehr beeindruckt hatte. Darauf sah man einen Mann mit schwerem Mantel und Kapuze neben einem großen weißen Hund, der über ihn zu wachen schien, im Schnee knien und beten.
    Gestern, gleich nachdem ich das Tier bei seinem Besitzer abgegeben und mich auf den Heimweg gemacht hatte, war mein Gedächtnis angesprungen, hatte die Archive durchwühlt und das Original dieser winterlichen Darstellung eines frommen Glaubens ausgegraben. Durch welches Labyrinth war dieses Bild aus ferner Zeit und wie vom anderen Ende der Welt bis zu mir vorgedrungen, um mir diesen Kniefall neben einem friedlichen Hund einzugeben, dessen Varietépartner ich bald sein würde?
    Gegen fünfzehn Uhr vertraute mir Charisteas nach tausend Ermahnungen und Vorwarnungen den Hund von Monsieur Lappe zu einem Spaziergang von einer Dreiviertelstunde an, diesen Hund, von dem keiner der Dog Walker etwas hören wollte. Der Akita galt als aggressiv und war angeblich jederzeit imstande zuzuschnappen.
    »Seien Sie äußerst vorsichtig. Vermeiden Sie, dass er in die Nähe von Leuten und vor allem von anderen Hunden kommt. In Japan wurden Akitas damals als Kampfhunde eingesetzt. Meines Erachtens hat dieser hier das nicht vergessen.«
    Ich entdeckte ein Tier von großer Schönheit und erstaunlicherPräsenz, das auf jede kleinste Bewegung achtete und ein geschärftes Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit der Dinge zu haben schien, ohne die geringste Aggressivität, aber jederzeit bereit, erbittert das Stückchen Leben zu verteidigen, das man ihm gewährt hatte. Diesmal hatte Charisteas sicher

Weitere Kostenlose Bücher