Der Fall
Professor seine Antwort als ›phantasievoll, aber anfängerhaft unplausibel‹. Er war so offensichtlich geknickt, dass ich wusste, ich musste ihn einfach haben.«
»Aber so haben Sie sich nicht kennengelernt, oder?«
»Eigentlich lernten wir uns schon in den ersten Wochen des Studiums kennen, aber wir hatten erst mehr miteinander zu tun, als wir uns in der Diskussionsgruppe für hypothetische Rechtsfälle als Partner zugeteilt wurden.«
»Ich nehme an, Sie konnten sich nicht ausstehen.«
»Natürlich nicht. Er fand mich zu aggressiv, und ich hielt ihn für einen verbohrten Klugscheißer.«
»Und was hat Sie einander schließlich näher gebracht?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, es lag daran, dass ich das Wort Penis mochte und er einen hatte.«
»Meine Frage war ernst gemeint.«
»Ich weiß. Das ist bei Ihnen immer so. Aber ich weiß nicht, wie ich darauf antworten soll. Jedenfalls weiß ich, wenn ich an Jared denke, eines sicher: Er ist so, wie ich gern werden möchte. Wirklich. So sehe ich ihn. Und wenn wir zusammen sind, hilft er mir, so zu sein. Liebe muss komplementär sein.«
»Das muss sie allerdings«, sagte Moore.
»Und Sie? Haben Sie mal jemanden geliebt?«
»Natürlich. Ich war sogar mal drei Jahre verheiratet. Vor langer Zeit.«
»Tatsächlich?« Sara sah Moore plötzlich in einem anderen Licht. »Sie erscheinen mir aber gar nicht wie der Typ, der verheiratet ist.«
»Ich mir auch nicht. Darum habe ich sie auch verlassen.«
»Wie hieß sie?«
»Marta Pacheco. Wir lernten uns kennen, als ich den Dienst bei den Marines beendete, und ein Jahr später haben wir geheiratet. Als ich nach New York wollte, wollte sie in der Nähe ihrer Familie in Kalifornien bleiben. Das war eigentlich nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, aber es war mir als Vorwand gerade recht. Wir waren viel zu jung, um uns zusammenzuraufen.«
»Und jetzt gilt Ihre ganze Liebe dem Strafrecht. Wie romantisch.«
»Diese Stadt ist eine fiese Geliebte, aber es gibt keine bessere«, sagte Moore lachend. »Doch jetzt genug von meinen Fehlern – lassen Sie mich mehr von Ihren hören! Warum wurden Sie in Ihrer alten Kanzlei entlassen?«
»Das beschäftigt Sie wohl immer noch, wie?«
»Wundert Sie das? Sie wollten von Anfang an nicht darüber sprechen.«
»Das will ich auch heute noch nicht.«
»Ach, werden Sie doch endlich erwachsen! So peinlich kann es doch gar nicht gewesen sein?«
»Sagen Sie das nicht. Es war sogar extrem peinlich.«
»Erzählen Sie es mir trotzdem. Ich erzähle es bestimmt nicht weiter.«
Nach kurzem Schweigen sagte Sara: »Was halten Sie von folgendem Vorschlag? Ich erzähle Ihnen, warum ich gefeuert wurde, wenn Sie mir etwas ähnlich Peinliches über sich erzählen.«
»Was soll das denn auf einmal? Sind wir jetzt wieder in der vierten Klasse? Geheimnisse austauschen?«
»Das ist meine Bedingung. Sie brauchen ja nicht darauf einzugehen.«
»Also, meinetwegen«, sagte Moore. »Dann lassen Sie mal hören.«
»Alter geht vor Schönheit. Wenn Sie etwas von mir hören wollen, müssen schon Sie anfangen.«
»Ihr Mann hatte recht. Sie sind ganz schön aggressiv.«
»Erzählen Sie einfach Ihre Geschichte.«
»Okay, okay. Sie ist ganz simpel. Haben Sie mal was von Platos Philosophie der Seele gehört?«
»Soll das eine Art literarische Parabel werden?«
»Hören Sie mir einfach zu. Plato vertrat die Auffassung, dass jede Seele bei der Geburt einen ganz individuellen Dämon oder Engel erhält, der das Talent und das Schicksal der betreffenden Person bestimmt. Seiner Überzeugung nach sind wir auf einer bestimmten Ebene alle Eichen in winzigen Eicheln. Davon war meine Mutter fest überzeugt, als ich klein war. Und zweifellos war sie der festen Meinung, ich hätte die Seele eines Entertainers.«
»Sie?«
»Sie können mir glauben, meine Reaktion war die Gleiche. Aber meine Mutter interessierte meine persönliche pubertäre Meinung nicht die Bohne. Und als ich fünfzehn wurde, sollte ich mir eine Teilzeitbeschäftigung suchen, um die Familienkasse etwas aufzubessern. Und um das Beste daraus zu machen und mich schon einmal auf meine Zukunft als Entertainer vorzubereiten, beschaffte mir meine Mutter einen Job als Assistent eines Zauberers, der bei Kindergeburtstagen auftrat.«
»Was soll daran peinlich sein? Hört sich doch nach einem Traumjob an!«
»Dachte ich zunächst auch – bis ich mein Kostüm sah. Vier Jahre lang musste ich zentimeterdick Schminke, eine Perücke in allen Farben
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