Der Fall
Sie, und in ihren Augen ist jedes Stottern eine Lüge.«
Guff stand vom Sofa auf. »Ich würde ja gerne bleiben und mich noch länger ausquetschen lassen, aber ich muss jetzt wirklich los.«
»Feigling«, sagte Moore, als Guff zur Tür ging.
Als Guff weg war, wandte sich Sara Moore zu. »Das nächste Opfer.«
»Meinetwegen.« Moore nahm Guffs Platz auf dem Zeugenstandsofa ein. »Aber ich warne Sie! So zahm wie Guff bin ich nicht. Mein Kozlow ist wesentlich widerspenstiger.«
»Dann lassen Sie mal sehen«, sagte Sara und stellte sich vor dem Sofa auf. Sie sah auf ihren Block, stimmte sich auf ihre Rolle ein und blickte dann Moore an. Mit strenger, gebieterischer Stimme begann sie: »Also, Mr. Kozlow, Sie waren doch an besagtem Abend in Arnold Donigers Haus?«
»Ms. Tate, können Sie mich nicht mal was anderes fragen?«, antwortete Moore mit einem überdrüssigen Stöhnen. »Das habe ich den Geschworenen doch schon längst gesagt. Wissen Sie, das ist das Problem mit den Anwälten heute: Sie hören nicht zu. Sie versuchen mit Gewalt, die Dinge so hinzustellen, wie sie sie sehen, und zwar ohne Rücksicht auf die unschuldigen Menschen, die Sie dabei vielleicht verletzen.«
Von Moores Antwort überrumpelt, sagte Sara: »Das ist nicht fair. Sie dürfen ihn nicht sympathisch machen.«
»Ach nein? Und was, glauben Sie, versucht Ihr Mann schon die ganze Zeit?«
Zwei Stunden später öffnete Jared die Tür seiner Wohnung. Nach Kozlows Überfall vom Vortag wollte er nicht mehr bei Pop bleiben. Außerdem sehnte er sich danach, seine Frau zu sehen. Egal, welche Probleme er gehabt hatte, egal, welchen Belastungen er ausgesetzt gewesen war, egal, welche Kämpfe er hatte ausfechten müssen – Sara war in den letzten zehn Jahren immer für ihn da gewesen. Sie war die erste gewesen, die er gesehen hatte, als er nach seiner Knieoperation aus der Narkose erwacht war, und als er seinen ersten Prozess verloren hatte, war sie die Einzige gewesen, die ihm versichert hatte, er hätte seine Sache gut gemacht. In den letzten drei Wochen hatte es Jared einfacher gefunden, ihr aus dem Weg zu gehen, doch als er nun die stille Wohnung betrat, wurde ihm klar, dass es niemanden gab, den er in diesem Moment lieber gesehen hätte. Ihm fehlte ihr Lachen und die Art, wie sie sich über seinen Sinn für Mode lustig machte, oder mit jemandem stritt, wenn sie anderer Meinung war. »Sara?« Er betrat das Wohnzimmer. »Bist du da?« Er ging ins Schlafzimmer. »Sara? Bist du da, Schatz?« Wieder kam keine Antwort. Seine Frau war nicht zu Hause. »Hoffentlich ist dir nichts passiert«, flüsterte er. In den letzten drei Wochen war Jared sehr einsam gewesen; heute Abend war er allein. Wie er nun in der Stille des leeren Schlafzimmers stand, spürte er den Unterschied sehr genau.
»Noch mal«, verlangte Moore. »Noch mal ganz von vorn.«
»Sind Sie ein Roboter, oder was?« Sara plumpste neben ihm auf das Sofa. »Es ist fast Mitternacht.«
»Wenn Sie es perfekt hinkriegen wollen, dürfen Sie nicht auf die Uhr sehen.«
»Lassen Sie mich doch mit Ihrem Perfektionswahn in Ruhe! Das ist nichts für normale Sterbliche.«
»Ich wette, Jared gibt sich nur mit absoluter Perfektion zufrieden.«
»Auf jeden Fall. Das ist der Unterschied zwischen uns – er will alles perfekt hinkriegen, während ich mich damit zufrieden gebe, innerhalb meiner Möglichkeiten das Beste zu erreichen.« Sie deutete auf Moore. »Und hören Sie endlich auf, ihn gegen mich auszuspielen. Das mag ich nicht, und es funktioniert auch nicht.«
»Bisher hat es funktioniert«, sagte Moore.
»Hören Sie trotzdem auf damit! Ich mag das nicht.«
Moore lehnte sich zurück und sah Sara schweigend an. Schließlich fragte er: »Hatten Sie immer schon so ein stark ausgeprägtes Konkurrenzverhältnis?«
»Zu Jared? Natürlich. Seit wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
»Und wie ist es noch mal dazu gekommen, zu Ihrer ersten Begegnung? Haben Sie in derselben Kanzlei Ihr Praktikum absolviert?«
»Von wegen! Da haben wir eine wesentlich bessere Story zu bieten. Ich habe Jared im ersten Semester unseres Jurastudiums kennengelernt.«
»O Gott. Zwei verliebte Jurastudenten. Gibt es überhaupt noch etwas Langweiligeres?«
»Kaum. Was das angeht, haben wir es zu wahrer Perfektion gebracht.« Als Moore den Kopf schüttelte, fügte Sara hinzu: »Als ich ihn das erste Mal sah, hob er gerade die Hand, um in unserem Vertragsrechtsseminar eine Frage zu beantworten. Als er fertig war, bezeichnete der
Weitere Kostenlose Bücher