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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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obwohl die fünf Königreiche längst den neuen Glauben der Christenheit angenommen hatten. Nach der Tradition
     aus vergangenen Zeiten war Samhain die Nacht des Jahres, in der den Lebenden das Reich der Anderswelt erschien, in der die
     Seelen der Toten das Diesseits betreten und sich an jedem, der ihnen zu Lebzeiten Unrecht getan hatte, rächen durften. Die
     Vorstellung war in den Menschen tief verwurzelt, selbst der Neue Glauben hatte nichts dagegen |405| ausrichten können. Die Christen hatten einen Ausweg ersonnen, indem sie zwei unterschiedliche Feiern eingeführt hatten, um
     so das alte Fest mit einzubeziehen. Zu Allerheiligen wurde der Heiligen gedacht, der bekannten und der weniger bekannten,
     und der darauffolgende Tag Allerseelen war dem Gedenken an die Seelen der in Christo Verstorbenen vorbehalten.
    Tressach hatte den von einer Mauer abgeschirmten Bezirk mit den Gräbern vor sich, der weitab von den Palastgebäuden lag. Ihn
     fröstelte in der kalten Abendluft. Der Herbst verabschiedete sich zusehends, und der Winter schickte seine Vorboten, weiße
     Finger eines schleichenden Bodenfrostes, der von den heiligen Hügeln im Königsgau Meath kam.
    Tressach blieb stehen und tastete mit den Augen die Wegstrecke zwischen den düsteren Grabhügeln und ihren Portalen aus Granitgestein
     ab. Man hatte ihr den Namen »Allee der großen Könige« gegeben, denn hier hatten die berühmtesten der früheren Herrscher ihre
     letzte Ruhestätte gefunden. Hier befand sich das prunkvolle Grab von Ollamh Fodhla, dem vierzigsten König, der die Gesetze
     Irlands gesammelt und einen
féis
, einen Konvent, begründet hatte, der alle drei Jahre zum Samhain-Fest in Tara zusammentrat. Dann trafen sich Richter, Anwälte
     und Stammesbeauftragte, debattierten über Gesetze und überarbeiteten sie. Just in diesem Jahr kam es wieder zu einer solchen
     Begegnung, und Tressach wusste, dass bereits viele Richter und Anwälte in Tara eingetroffen waren. Ihre Beratungen sollten
     am nächsten Morgen beginnen.
    Eine andere bemerkenswerte Grabstätte war die von Macha Mong Ruadh, Macha mit dem Fuchshaar, der sechsundsiebzigsten Monarchin
     und einzigen Frau, die über Irland regiert hatte. Dahinter reihten sich die Gräber von Conaire dem Großen, von Tuathal dem
     Rechtmäßigen, von Art dem Einzigen, von Conn der hundert Schlachten und von Fergus Schwarzzahn. |406| Würde ihn jemand befragen, hätte Tressach ihm die Namen aller dort Ruhenden der Reihe nach herunterbeten können. So war es
     eben, selbst mächtige Herrscher sanken ins Grab.
    Weshalb aber ein Krieger seine Zeit damit verschwenden sollte, diese Ruhestätte der Toten abzulaufen und zu bewachen, hatte
     er nie verstanden. Welche Notwendigkeit gab es, einen so trostlosen Ort wie diesen zu bewachen, noch dazu in der finstersten
     aller Herbstnächte? Er wünschte sich sehnlichst von hier weg … egal, wohin.
    Wenigstens hatte er eine kleine Laterne, aber den rechten Trost spendete ihm ihr Licht auch nicht. Er begann, die dunkle Gräberreihe
     abzulaufen und beschleunigte seinen Schritt. Je schneller er sich seiner Aufgabe entledigt hatte, desto besser. Mit gutem
     Gewissen würde er seinem Vorgesetzten berichten können, dass in der Anlage alles in Ordnung war. Der Gedanke an einen Krug
     mit
cuirm
, einem starken Met, machte die Sache etwas erträglicher.
    Er bog um eine Ecke und blieb an einer der Ehrenreihen gewissenhaft stehen, um sich etwas sorgsamer umzuschauen. An Stellen,
     von denen aus sich ein günstiger Überblick ergab, hielt er es für richtig, seinen Pflichten ausführlicher nachzukommen. Das
     schuldete er seinem Hauptmann und seinem Stolz als Krieger. Er leuchtete die Umgebung mit seiner Laterne ab und erspähte ein
     frisch ausgehobenes Grab. Nur keine Schwäche zeigen! Er wusste, dass Garbh, der Friedhofswärter, zu dessen Pflichten die Pflege
     der Ruhestätten und das Anlegen neuer Gräber gehörte, in den letzten zwei Tagen hier geschaufelt hatte. Noch waren die Arbeiten
     nicht beendet, und das Grab war leer, aber trotzdem fühlte sich Tressach wie magisch davon angezogen und starrte in das gähnende
     schwarze Loch mit der ringsherum frisch aufgehäuften schwarzen Erde. Seine Phantasie spielte verrückt, Angstvorstellungen
     aus seiner Kindheit |407| schnürten ihm die Kehle zu. Jeden Augenblick konnte sich da unten etwas Schreckliches auftun. Er beugte das Knie und riss
     sich beherzt los.
    Am Ende der Reihe mit den Gräbern aus der etwas jüngeren

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