Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
Vom Netzwerk:
Becher gewärmter, aus Gallien eingeführter
     Wein genehm wäre. Sie war dem nicht abgeneigt, und so langte er nach einer Amphore aus Ton, goss daraus roten Wein in einen
     Krug, nahm einen glühend heißen Schürharken aus dem Feuer und tauchte ihn in die Flüssigkeit. Dann schenkte er ihr ein entsprechendes
     Maß in einen silbernen Becher.
    Der Abend war kühl, und Fidelma sprach gern dem wärmenden Getränk zu.
    »Ist es wirklich schon drei Jahre her, seit du zuletzt in Tara warst?« Der Abt mochte es kaum glauben. Kopfschüttelnd nahm
     er ihr gegenüber Platz.
    »Es erscheint auch mir wie eine Ewigkeit«, stimmte sie ihm zu.
    |410| »Der König spricht immer noch voller Anerkennung von dir und wird dir nie vergessen, wie du das Rätsel um sein gestohlenes
     Schwert gelöst hast.«
    »Ah ja, Sechnasach. Ist er wohlauf? Und des Königs Familie, wie geht es der?«
    »Es gibt keinen Grund zur Klage.
Deo gratias
«, fügte er fromm hinzu. »Aber wie ich höre, ist dir in der Zwischenzeit allerlei widerfahren.«
    Ein heftiges Klopfen an der Tür hinderte ihn am Weitersprechen. Entschuldigend sah er Fidelma an und forderte den Störenfried
     auf, einzutreten.
    Es bedurfte keines Kennerblicks – der im Türrahmen wartende Krieger war total verstört. Obwohl er einen Schafspelz anhatte,
     bebte er am ganzen Körper, als fröre er erbärmlich, und das Gesicht war aschfahl. Seine Lippen zitterten, und die dunklen
     Augen hasteten unstet vom Abt zu der jungen Nonne und wieder zurück zum Abt.
    »Nun los schon, Mann«, fuhr ihn Colmán ungehalten an, »heraus mit der Sprache. Worum geht es?«
    »Ehrwürdiger Abt.« Mehr brachte er nicht heraus, und selbst die zwei Worte waren kaum zu verstehen.
    Colmán wurde ungeduldig. »Nun rede endlich, Mann!«
    »Ich bin Tressach von der Leibgarde des Königs. Irél, mein Befehlshaber, schickt mich, ich soll dich holen. Da ist etwas passiert
     …« Er verstummte.
    »Etwas passiert? Was ist passiert?«
    »Bei den Grabstätten der Hochkönige. Irél bittet dich, sofort zu kommen.«
    »Warum? Was ist geschehen?« Colmán verspürte wenig Lust, die Wärme spendende Behaglichkeit von Feuer und Wein gegen die Kälte
     draußen einzutauschen. Aber er war geistlicher Ratgeber am königlichen Hof, jedes Vorkommnis, das das geistliche |411| Leben in Tara betraf – bis hin zur Aufsicht über den Friedhof – fiel in seinen Verantwortungsbereich.
    Fidelma nippte derweil an ihrem Wein, beobachtete aber aus einem Augenwinkel heraus den Krieger und sein aufgeregtes Gebaren.
     Der Mann hatte völlig die Fassung verloren, und die schroffe Art des Abts half ihm wenig, sie wiederzugewinnen. Sie stellte
     ihren Trinkbecher auf dem Tisch ab und lächelte ihm aufmunternd zu.
    »Erzähl, was geschehen ist, und dann sehen wir gemeinsam, was wir tun können.«
    Der Krieger machte eine hilflose Armbewegung, antwortete aber. »Ich hatte Wache. Bei den Grabstätten, genau gesagt. Ausgerechnet
     heute Abend, und ich dort allein. Aus dem Grab von Tigernmas kam plötzlich ein Schrei …«
    »Aus dem Grab?«, vergewisserte sich Fidelma.
    »Aus der Gruft, Schwester.« Der Krieger unterstrich seine Behauptung mit einem kurzen Beugen des Knies. »Ich hörte eine Stimme,
     die ganz deutlich Gott um Hilfe anrief. Ich war halbtot vor Angst. Gegen Feinde aus Fleisch und Blut kann ich mich zur Wehr
     setzen, aber nicht gegen umherirrende, gequälte Seelen von Toten.«
    »Na, na«, verwahrte sich Colmán gegen die Vorstellung. »Vielleicht treibt da nur einer seinen Schabernack. Ich weiß sehr wohl,
     was für eine Nacht wir heute haben.«
    Fidelma hingegen sah dem Gesicht des Mannes an, dass ihm keineswegs spaßig zumute war.
    »Sprich weiter«, ermunterte sie ihn. »Was hast du daraufhin unternommen?«
    »Unternommen? Ich bin gelaufen, was ich konnte. Ich bin zu Irél, meinem Befehlshaber, gerannt, um ihm zu berichten. Er ist
     mit einem anderen Krieger und mir zurück zur Grabstätte gegangen. Und was soll ich sagen, Schwester? Die Stimme war |412| wieder da. Etwas schwächer zwar, aber wie zuvor rief sie um Hilfe. Irél und der andere Krieger haben es auch gehört.«
    Colmán wollte ihm immer noch nicht glauben.
    »Und was erwartet Irél nun von mir? Soll ich mich an den Ort begeben und für die Seelen der Toten beten?«
    »Das nicht. Irél ist nicht einer von denen, die an umherirrende Geister glauben. Aber mein Hauptmann bittet um Erlaubnis,
     das Grab öffnen zu dürfen. Er glaubt, jemand steckt da drinnen und ist

Weitere Kostenlose Bücher