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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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schmunzelte über seine selbstverständliche Art, sie mit einzubeziehen.
    »Für alles, was geschieht, gibt es eine Erklärung«, bestätigte sie und warf dabei einen Blick in das Innere der Grabstätte.
     »Sie zu finden ist jedoch nicht immer leicht.« Sie wandte sich an Colmán. »Würdest du bitte den Vorsitzenden des Konvents
     fragen gehen, ob Fiacc schon sein Quartier bezogen hatte und ob er als Redner vorgesehen war?«
    Der Abt ließ sich nicht lange bitten und eilte davon.
    Fidelmas Aufmerksamkeit galt erneut der Leiche. Die Todesursache war offenkundig. Der pfeilähnliche Holzstab steckte im Rücken
     des Toten unterhalb des Schulterblattes.
    »Die dümmste Stelle, wenn man jemand erstechen will«, brummelte Irél abfällig. »Jemand in den Rücken stechen«, fügte er hinzu,
     als er Fidelmas fragenden Blick sah. »Von hinten kann man sich nie sicher sein, ob man sein Opfer wirklich getötet hat. Zu
     viele Knochen versperren den Weg zu lebenswichtigen Organen, an jedem einzelnen kann die Waffe abprallen. Man sollte immer
     von vorn unterhalb des Rippenbogens zustechen |418| und dann leicht nach oben.« Man hörte den Krieger sprechen.
    »Deiner Meinung nach hat die Person, die den Todesstoß ausgeführt hat, vom Töten nichts verstanden?«, fragte Fidelma mit bitterem
     Hohn.
    Er überlegte. »Das würde ich nicht unbedingt sagen. Der Stab wurde leicht seitlich angesetzt und dann mit jäher Wucht in die
     Herzgegend getrieben. Der Mörder wusste, was er tat. Er wollte auf Anhieb das Herz durchbohren. Trotzdem hat sein Opfer noch
     eine Weile gelebt, sonst hätten wir ja nicht seine Schreie gehört und den Leichnam entdeckt.«
    »Deine Beobachtungsgabe ist bemerkenswert, Irél. Aber sag mir eins, weshalb ordnest du den Mord einem Mann zu?«
    »Das ist doch ganz logisch. Schau dir mal an, wie tief sich das Holz ins Fleisch gegraben hat. Dazu braucht man Kraft.«
    Dem war nichts entgegenzusetzen. Fidelma betrachtete jetzt den Holzschaft etwas genauer. Er war aus Espe, etwa achtzehn Zoll
     lang, auch waren Schriftzeichen in Ogham eingeritzt. Sie ließ die Finger über die Lettern gleiten, das noch leicht klebrige
     Mark war zu spüren. Die eingeritzten Wörter hießen so viel wie »Mögen die Götter uns behüten«. Damit war klar, was für ein
     Stab das war, nämlich ein Maß, mit dem man Leichen und Gräber vermessen konnte, ein sogenannter

. Der Messstab galt als ein Unheil bringendes Werkzeug, aus freien Stücken würde ihn niemand anfassen.
    Selbst Fidelma musste sich gut zureden, ehe sie ihn anpackte und aus dem Leichnam zog. Auf den ersten Blick erkannte sie,
     dass es sich um keinen allgemein üblichen

handelte. An dem Ende, das im Körper gesteckt hatte, war herumgeschnitzt worden, sodass sich vorn eine Spitze ergab. Sie wischte
     das Blut an der Kleidung des Toten ab. Jetzt war deutlich zu erkennen, dass man die Spitze im Feuer erhärtet hatte.
    |419| Zutiefst erschrocken sah Tressach ihr zu, wie sie den Holzstab in den Händen hin und her drehte. »So etwas anzufassen bringt
     Unglück, Schwester«, sagte er vorwurfsvoll. »Und erst recht, wenn es der

ist, mit dem das Grab für Tigernmas ausgemessen wurde.«
    Fidelma beachtete ihn nicht. Sie stand auf und begann, sich in der Grabstätte genauer umzusehen.
    Es handelte sich um eine oval geformte Kammer, die man in einen Erdhügel eingelassen hatte; ihr Boden war mit Steinen ausgelegt,
     während die Wände aus Granitblöcken bestanden. Sie waren so angeordnet, dass das Dach eine bogenförmige Struktur hatte. Die
     gesamte Grabstätte war etwa fünfzehn Fuß lang und gute zwölf Fuß breit. Die offenstehenden Türen empfand Fidelma als Erleichterung,
     weil die frische und kühle Abendluft, die von draußen hereinkam, ein wenig den übelriechenden Mief überdeckte.
    Nach den sterblichen Überresten von Tigernmas brauchte man nicht zu suchen. Am hinteren Ende der Grabstätte stand mittig und
     aufrecht ein verrostetes Eisengestell. Da drin lagen die kläglichen Reste eines Skeletts, auch ein paar Stofffetzen, eine
     Gürtelspange aus Metall, ein verrostetes Schwert. Früher hatte man die Stammesfürsten und großen Herrscher in aufrechter Haltung
     bestattet, das Gesicht dem Feind zugewendet und mit dem Schwert in der Hand. Der Kastenrahmen aus Eisen war vermutlich dafür
     gedacht, den Leichnam in der Grabkammer aufrecht stehend zu halten. Man glaubte, dass so der Nimbus des Toten die Lebenden
     beschützen würde. Der auf der Erde

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