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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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Gesichtsausdruck fesselte sie. Das
     war kein plötzliches Erschrecken. Kummer und Leid hatten tiefe Spuren in sein leichenblasses Antlitz gegraben.
    |528| »Ich habe mein Pferd draußen angebunden. Das arme Vieh erfriert, wenn sich niemand darum kümmert«, sagte Fidelma knapp, als
     der Mann ihr eine Antwort schuldig blieb und sie nur sprachlos anstarrte.
    »Wer bist du?«, ertönte jetzt hinter ihr die schrille Stimme einer Frau.
    Fidelma drehte sich um und sah sich einer Frau gegenüber, deren Züge einstmals hübsch gewesen waren, doch zunehmendes Alter
     hatte das Gesicht aufgeschwemmt und von Falten durchfurcht. Ihre Augen waren schwarz und hatten keine erkennbaren Pupillen.
     Fidelma gewann den Eindruck, in einem furchtbaren Moment ihres Lebens war der Frau das Blut erstarrt und nie wieder in Fluss
     geraten. Sie hielt ein langes, kunstvoll gearbeitetes Kruzifix vor sich, als wollte sie damit Unheil abwehren.
    Mann und Frau nahmen sich nichts in ihrer Art.
    »Sag schon, was für eine bist du?«
    Mühsam beherrscht erwiderte Fidelma: »Wenn ihr die Wirte dieses Gasthauses seid, dann hat euch zu reichen, dass ich eine ermüdete
     Reisende bin, die durch die Berge hier zieht und die der Schneesturm zwingt, Unterkunft zu suchen.«
    Die Frau ließ sich durch ihren herablassenden Ton nicht einschüchtern. »Das zu wissen reicht uns nicht«, entgegnete sie standhaft.
     »Sag, ob du uns Unheil bringst oder Segen!«
    Fidelma stutzte. »Ich suche Schutz vor dem Sturm, das ist mein einziges Begehr. Ich bin Fidelma von Kildare«, erklärte sie,
     nach wie vor verärgert. »Außerdem bin ich eine
dálaigh
bei den Gerichten im Range eines
anruth,
und ich bin die Schwester von Colgú, dem Thronanwärter dieses Königreichs.«
    Sich derart großsprecherisch vorzustellen, zeigte, wie ungehalten Fidelma war, denn üblicherweise verriet sie über sich selbst
     so wenig, wie irgend möglich. Auch verschwieg sie im |529| Allgemeinen, dass ihr Bruder Colgú Thronanwärter im Königtum von Cashel war. Jetzt aber meinte sie, sich deutlich zu erkennen
     geben zu müssen, um die beiden hier aus ihrer merkwürdigen Haltung zu locken.
    Während sie sprach, legte sie den schweren Umhang ab, so dass ihr Habit sichtbar wurde. Die Frau bemerkte sogleich das kostbare
     Kruzifix, das Fidelma an einer Kette um den Hals trug, und die eben noch kalten Augen zeigten, dass ihr Gemüt sich beruhigte.
    Sie ließ ihr Kreuz sinken und neigte kurz den Kopf. »Verzeih, Schwester! Ich heiße Monchae und bin die Ehefrau von Belach,
     dem Gastwirt.«
    Der Wirt stand immer noch unschlüssig an der Tür. »Soll ich das Pferd versorgen?«, fragte er, mit sich uneins.
    »Wenn du nicht willst, dass es erfriert, solltest du es tun«, warf Fidelma hin und ging auf das offene Feuer zu, in dem Torfsoden
     glühten und anheimelnde Wärme verbreiteten. Aus dem Augenwinkel sah sie noch, dass Belach kurz zögerte, sich dann eine Decke
     überwarf und ein Schwert griff, das hinter der Tür lehnte. So bewaffnet, ging er hinaus in den Sturm.
    Darüber wunderte sich Fidelma nun wirklich. Noch nie hatte sie gesehen, dass ein Stallknecht zum Schwert griff, ehe er ein
     Pferd in den Stall brachte.
    Monchae schob den eisernen Haltearm, an dem ein offener Kessel hing, über die Torfglut.
    »Wo bin ich hier eigentlich? Wie heißt der Ort?«, fragte Fidelma, während sie sich auf einem Stuhl niederließ und die Beine
     vor dem wärmenden Feuer ausstreckte. Die aus Balken bestehende Decke der Stube war niedrig. Der Raum wirkte gemütlich, doch
     bis auf eine hohe Statuette der Madonna mit Kind gab es keinerlei Schmuckgegenstände. Die Madonna war bunt bemalt und schien
     aus einer Art Gips oder Alabaster |530| gefertigt zu sein. Ihren Ehrenplatz hatte sie am Ende des langen Tisches, an dem wahrscheinlich die Gäste bewirtet wurden.
    »Das hier ist Brugh-na-Bhelach. Du bist geradenwegs von der Flanke des Berges heruntergekommen; wir nennen ihn Fionns Sitz.
     Keine Meile von hier fließt der Tua. Im Winter kommen hier selten Wanderer vorbei. Wohin zieht es dich?«
    »Ich muss nach Norden, nach Cashel.«
    Monchae füllte einen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit aus dem Kessel und reichte ihn ihrem Gast. Fidelma schloss die
     froststeifen Finger um den Becher, konnte aber nicht gleich die Wärme spüren, die von dem heißen Getränk ausging. Es roch
     gut, der Dampf stieg ihr in die Nase. Vorsichtig nippte sie, und ihr Geschmackssinn bestätigte, was ihr der Geruchssinn schon
    

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