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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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zunächst, nahm dann aber auf einem Schemel vor ihr Platz. Ein hölzernes Bettgestell und ein Tisch
     vervollständigten die Ausstattung seiner gegenwärtigen Behausung. Der Anwältin war klar, dass man ihm nur wegen seines Ranges
     derartige Annehmlichkeiten zugestanden hatte, die sein feuchtkaltes Granitgefängnis etwas erträglicher machten.
    »Ich bin an der Kapelle vorbeigekommen …«, begann Ailill.
    »Warum?«, unterbrach sie ihn. »Es war schon nach Mitternacht, soviel ich weiß.«
    Der Mann zog unwillig die Brauen zusammen; offenbar war er es nicht gewohnt, dass ihm jemand ins Wort fiel. In seinem hochmütigen
     Gesicht zuckte es, und Schwester Fidelma musste ein Schmunzeln unterdrücken. Aus seinem Verhalten war ersichtlich, dass er
     hatte unwirsch entgegnen wollen, doch besann er sich eines Besseren – sie hatte den Rang eines
anruth
und damit die Macht des Obersten Gerichts hinter sich. So zögerte er nur kurz.
    »Ich war unterwegs zum … wollte jemand besuchen.«
    »Wohin? Wen?«
    »Dazu möchte ich mich nicht äußern.«
    Sie sah, wie er entschlossen die Lippen zusammenpresste, und spürte, er würde ihre Fragen nicht beantworten. So ging sie darüber
     hinweg und meinte nur: »Sprich weiter.«
    »Wie gesagt, ich bin an der Kapelle vorbeigekommen und habe die Tür offen gesehen. Zur Nachtzeit ist die Tür sonst immer zu,
     und der Riegel ist vorgelegt. Das fand ich merkwürdig, und so bin ich hineingegangen, um nachzusehen. Mir fiel auf, der Altartisch
     war verrückt, und deshalb zog es mich dorthin. Da stand die Truhe offen, in der das Amtsschwert verwahrt wird …« Er stockte
     und zuckte die Achseln.
    »Und dann?«, ermunterte sie ihn.
    |66| »Nichts weiter. In dem Augenblick kamen die Wachtposten dazu. Der Abt tauchte auf, und ich wurde beschuldigt, das Schwert
     gestohlen zu haben. Was ich aber nicht getan habe.«
    »Und zu all dem hast du weiter nichts zu sagen?«
    »Mehr weiß ich zu dem Vorfall nicht. Man verdächtigt mich und klagt mich an, obwohl ich unschuldig bin. Mein einziges Vergehen
     ist, dass ich meines Vaters Sohn bin und vor dem Großen Rat den Anspruch erhoben habe, die Nachfolge von Blathmac und Diarmuid
     als Hochkönig anzutreten. Zwar wurde Sechnussachs Anspruch vom Großen Rat gebilligt, dennoch grollt er mir, dass ich ihm die
     Nachfolge streitig machen wollte. Weil er mich hasst, ist er umso eher bereit, mich für schuldig zu halten.«
    »Und du verübelst es Sechnussach nicht, dass er vor dem Großen Rat Erfolg hatte?«, fragte Schwester Fidelma unnachgiebig.
    Ailill bewahrte nur mühsam Fassung. »Hältst du mich für einen ehrlosen Schuft, Schwester? Ich achte das Gesetz. Dennoch will
     ich dir gestehen, dass meiner Meinung nach der Große Rat die falsche Wahl getroffen hat. Sechnussach hält an dem Althergebrachten
     fest, während doch allgemeiner Wandel im Lande nötig wäre. Wir brauchen Reformen in unseren weltlichen Gesetzen und in unserer
     Kirche.«
    Sie sah ihn durchdringend an. »Du würdest die Reformen durchsetzen wollen, die die römische Kirche uns aufdrängt? Das Osterdatum
     ändern, unser Brauchtum aufgeben und unsere Regeln der Landvergabe?«
    »Ja, dafür bin ich. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht. Und es gibt viele, die mich darin unterstützen würden. Mein Vetter
     Carnach zum Beispiel, der Sohn Diarmuids. Er tritt sogar entschiedener als ich für die von Rom ausgehenden Bestrebungen ein.«
    |67| »Du würdest also zugeben, durchaus ein Motiv zu haben, die Inauguration Sechnussachs verhindern zu wollen?«
    »Ja. Ich gebe zu, meine Regierungsvorsätze würden andere sein als die von Sechnussach. Doch als bindend gilt für mich, wenn
     der Große Rat einmal einen Hochkönig gewählt hat, müssen sich alle dieser Entscheidung fügen. Solange der Hochkönig die Gesetze
     einhält und seine Verpflichtungen erfüllt, ist er der Hochkönig. Die Wahl des Großen Rats kann niemand anfechten.«
    Schwester Fidelma blickte Ailill in die braunen Augen, in denen verhaltene Wut glomm, und fragte unverblümt: »Hast du das
     Schwert gestohlen?«
    Ailill suchte den Zorn zu bezähmen, der bei dieser Frage in ihm aufstieg. »Bei allen Heiligen, nein! Ich habe dir alles gesagt,
     was ich dazu weiß.«
     
    Der Erc geheißene Krieger schlurrte mit dem Stiefelabsatz auf dem Boden und fühlte sich unbehaglich. »Ich kann dir bestimmt
     nicht weiterhelfen, Schwester. Ich bin ein einfacher Wachmann und kann nur eines bestätigen: Zusammen mit meinem

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