Der falsche Apostel
zu verstecken.«
»Wo ist dein Waffengefährte Congal? Den möchte ich auch befragen.«
Erc schaute bekümmert drein und beugte hastig das Knie. »Gott sei zwischen mir und allem Übel, Schwester. Er liegt darnieder
an der Gelben Pest, ist todkrank, vielleicht bin ich der nächste, den sich die Seuche schnappt.«
Fidelma schüttelte den Kopf und lächelte ihn ermutigend an. »Das muss nicht sein, Erc. Geh zum Apotheker, er soll dir einen
Aufguss von den Blättern und Blüten des
centaurium vulgare
bereiten. Das Mittel weist die Gelbe Pest in die Schranken.«
»Was ist das?«, fragte der Krieger stirnrunzelnd, dem die lateinische Bezeichnung fremd war.
»Dréimire buí«,
übersetzte sie ihm den Namen der Pflanze ins Irische. »Der Apotheker kennt das bestimmt. Dieser Sud gilt als gutes Stärkungsmittel.
Wenn du davon jeden Tag trinkst, müsste dich die Seuche verschonen. Du kannst jetzt gehen, Erc, erst einmal habe ich keine
weiteren Fragen.«
Sechnussach, Fürst von Midhe und Hochkönig Irlands, war ein Mann von schlanker Gestalt, etwa Mitte dreißig. Das schwarze Haar
ließ seine brummigen Züge noch finsterer erscheinen. Leicht zusammengesunken, saß er in seinem Armsessel und gab ein Bild
des Unmuts und Grolls ab.
|71| »Von Abt Colmán höre ich, dass du noch nicht entdeckt hast, wo Ailill das Staatsschwert verborgen hat«, begrüßte er Schwester
Fidelma unwirsch und lud sie mit einer Handbewegung ein, sich zu setzen. »Darf ich dich erinnern, dass die Amtseinführung
morgen Mittag stattfinden soll?«
Auf ihre Forderung hin hatte sich der Hochkönig bereit erklärt, sie in der Audienzhalle des Palasts von Tara zu empfangen.
Der Raum hatte eine hochgewölbte Decke und war mit Wandbehängen ausgeschmückt. In dem großen Kamin loderten knisternd und
knackend Holzscheite. Davor saß der Hochkönig in einem mit Schnitzwerk verzierten Eichensessel. Auserlesene Möbelstücke, die
aus fernen Ländern als Gastgeschenke an den Hof gekommen waren, standen im Saal verteilt. Sie alle waren reich mit Gold und
Silber und Halbedelsteinen verziert.
»Du gehst demnach davon aus, dass Ailill das Schwert entwendet hat«, bemerkte Schwester Fidelma ruhig. Nach einer einladenden
Geste seinerseits hatte sie vor ihm Platz genommen und sich damit strikt an die Hofetikette gehalten. Hätte sie zum Abschluss
ihrer langen Ausbildung sogar den Grad eines
ollamh
erlangt, dann hätte sie selbst in Gegenwart des Hochkönigs Platz nehmen dürfen, ohne dessen Aufforderung abzuwarten. Der oberste
ollamh
von Irland, der dem Gericht des Hochkönigs vorstand, durfte sogar im Großen Rat als Erster das Wort ergreifen. Nie zuvor hatte
Fidelma vor einem Hochkönig gesessen, und sie überlegte fieberhaft, ob sie ihm gegenüber alle Anstandsregeln beherrschte.
»Bezweifelst du das etwa?«, brummte Sechnussach verdrießlich. »Die Tatsachen, die mir Abt Colmán mitgeteilt hat, sind doch
eindeutig. Wenn Ailill das Schwert nicht gestohlen hat, wer dann sonst?«
»Bevor ich mich weiter dazu äußere, möchte ich dir einige Fragen stellen, Sechnussach von Tara.«
|72| Er hob, ihre Frage bewilligend, eine Hand.
»Wem käme es zugute, wenn man dich daran hinderte, das Amt des Hochkönigs anzutreten?«
Sechnussach grinste gequält. »Ailill natürlich. Denn er ist vom Großen Rat als
tánaiste
bestätigt.«
Wenn der Große Rat einen Hochkönig wählte, wurde gleichzeitig auch ein
tánaiste
oder Stellvertreter bestellt, ein Erbprinz, der das Amt übernahm, sollte der Hochkönig längere Zeit erkranken. Wurde der Hochkönig
gar ermordet oder verstarb er plötzlich, dann bestätigte der Große Rat den
tánaiste
als nächsten Hochkönig. Auf diese Weise gab es in den fünf Königreichen stets einen obersten regierenden Fürsten. Nach dem
altehrwürdigen Gesetz der Brehons wurde in Irland immer dem Geeignetsten die Königswürde verliehen. Ein Erbrecht wie bei den
Angelsachsen oder Franken gab es nicht, demzufolge ausnahmslos der Erstgeborene eines Königs oder Fürsten die Nachfolge antrat.
»Und sonst niemand? Andere Bewerber gibt es nicht?«
»Andere Bewerber gibt es durchaus. Cernach, zum Beispiel, der Sohn meines Oheims Diarmuid. Und Ailills leibliche Brüder Conall
und Colcu. Von den Streitigkeiten zwischen den südlichen und den nördlichen Uí Néill hast du gewiss gehört. Ich gehöre zu
den südlichen Uí Néill. Von den nördlichen Uí Néill würden sich viele freuen, falls ich abgesetzt
Weitere Kostenlose Bücher