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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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Waffengefährten
     Congal fand ich in der Kapelle Ailill Flann Esa vor der Truhe, aus der das heilige Schwert gestohlen wurde. Dem gibt es nichts
     hinzuzufügen.«
    Schwester Fidelma biss sich auf die Lippen. Sie schaute sich in der Runde um, aus der die anderen Krieger der Leibgarde des
     Hochkönigs sie neugierig anblickten. In dem düsteren Schlafsaal, den sie eben betreten hatte, hielten sich an die hundert
     Krieger zwischen ihren Wachdiensten auf. Es roch unangenehm nach Schnaps und Körperschweiß.
    »Das einzuschätzen überlass mir, Erc.« Sie wandte sich der Tür zu. »Komm, lass uns eine Weile an die frische Luft gehen. Ich
     möchte, dass du mir einige Fragen beantwortest.«
    |68| Widerstrebend legte der stämmige Krieger Schild und Speer beiseite und folgte der Klosterschwester. Seine Kameraden riefen
     ihnen allerlei anzügliche Bemerkungen und Zoten hinterher.
    »Ich habe erfahren, dass du in der Nacht, als der Diebstahl geschah, die Kapelle bewacht hast«, erklärte ihm Schwester Fidelma,
     sobald sie den Gemeinschaftsraum verlassen hatten und ins kristallklare Morgenlicht schritten. »Stimmt das?«
    »Congal und ich hatten in der Nacht Wache; unsere Aufgabe bestand aber nur darin, um die Gebäude zu patrouillieren, zu denen
     auch die Kapelle gehört. Üblicherweise sind die Türen der Kapelle des heiligen Patrick von Mitternacht bis zum Morgengrauen
     geschlossen. Die Kapelle enthält etliche Schätze, und deshalb hat der Abt angeordnet, die Türen sogar zu verriegeln.«
    »Wann seid ihr auf Posten gezogen?«
    »Genau um Mitternacht. Unsere Runde beginnt bei den Stallungen, die sind etwa hundert Schritt von der Kapelle entfernt, und
     geht um das große Refektorium herum. Dabei kommen wir regelmäßig am Portal der Kapelle vorbei.«
    »Schildere mir, wie das war in jener Nacht!«
    »Congal und ich nahmen den Wachdienst auf. Wir gingen an dem Portal vorbei. Es schien wie immer geschlossen. Beim Eingang
     zum Refektorium begaben wir uns auf die Postenstrecke, die um die großen Bauten herumführt und eigentlich ein Rundweg ist.«
    »Wie lange dauert so eine Runde?«
    »Nicht mehr als eine halbe Stunde.«
    »Und wie lange ist die Kapellentür dann nicht in eurem Blickfeld?«
    »Vielleicht zwanzig Minuten.«
    »Weiter, bitte!«
    |69| »Bei unserer zweiten Runde, also eine halbe Stunde später, kamen wir wieder an dem Portal vorbei. Congal sah als Erster, dass
     die Tür auf war. Wir gingen näher heran, und ich stellte fest, sie war gewaltsam geöffnet worden. Das Holz um den Eisenriegel
     auf der Innenseite war zersplittert. Wir betraten das Hauptschiff und sahen Ailill vor dem Altar. Der Altar war von seiner
     eigentlichen Stelle über dem Stein des Schicksals weggeschoben, und die Truhe, in der das heilige Schwert aufbewahrt wird,
     stand offen.«
    »Wie verhielt sich Ailill? War er aufgeregt, atmete er heftig?«
    »Nein. Er war ziemlich ruhig, starrte nur in die leere Truhe.«
    »War es nicht dunkel in der Kapelle? Wie konntet ihr alles so deutlich sehen?«
    »Einige Kerzen waren angezündet, die gaben genug Licht.«
    »Was geschah dann?«
    »Er sah unsere Schatten und wandte sich zu uns um. Und dann stand schon der Abt hinter uns. Der bemerkte die Schändung des
     Heiligtums sofort und fragte: ›Wo ist das Schwert?‹«
    »Hat er Ailill danach gefragt?«
    »Hat er, natürlich. Und wissen wollte er, was der dazu zu sagen hätte.«
    »Und was hat Ailill erwidert?«
    »Er sei eben erst hereingekommen.«
    »Und wie hast du dich dazu geäußert?«
    »Das ist nicht wahr, habe ich sagt. Wir sind Streife gelaufen, und von den Stallungen haben wir mindestens zehn Minuten lang
     das Kapellenportal immer im Blick gehabt. Ailil muss also wenigstens schon zehn Minuten in der Kapelle gewesen sein.«
    »Aber es war Nacht, da stelle ich mir vor, es war ziemlich dunkel draußen. Hätte Ailill im Schutze der Dunkelheit nicht kurz
     vor euch in die Kapelle gegangen sein können?«
    »Nein, in der Umgebung des Königshauses brennen die |70| ganze Nacht über Fackeln. Das ist ein unverrückbares Gesetz in Tara. Wo Licht ist, kann kein Verrat wohnen. Ich kann nur wiederholen,
     Ailill musste schon mindestens zehn Minuten in der Kapelle gewesen sein. Und das ist ganz schön lange.«
    »Selbst zehn Minuten sind nicht lange genug, um die Truhe zu öffnen, das Schwert zu verbergen und völlig zur Ruhe zu kommen,
     bevor ihr auftauchtet.«
    »Zeit genug, meine ich. Es blieb ihm ja gar nichts anderes übrig, als das Schwert

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