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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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sehr er sich auch bemühte, wollte ihm der Kontakt nicht gelingen. Das machte ihn traurig, aber er blieb, wo er war.
    Aus einem kräftigen Ahornast, den er am Fuße des Baumes fand, schnitzte er einen kleinen Drachen. Von all seinen Holzfiguren gelang ihm diese am besten. Es sollte ein Geschenk für Alep werden, der an diesem Tag weit von Kwin entfernt seinen siebzehnten Geburtstag feierte.
     
    Einige Tage darauf, als er mit Twist auf der Jagd war, hörte er zum ersten Mal seit Monaten menschliche Stimmen und bald darauf das unverwechselbare Geräusch einer scharfen Säge, die in stetigem Rhythmus durch Holz schnitt. Fahrendes Volk, erkannte Kwin, als er sich hinter einen Baum duckte. Schauspieler, Barden und Komödianten. Er sah drei Männer, von denen der Größte eine Axt trug und die beiden anderen eine frisch gefällte Buche zersägten. Kwin spürte heiße Wut in sich aufsteigen, rührte sich aber nicht. Erst als der Axtträger sich daranmachte, eine weitere Buche zu fällen, trat er mit eingelegtem Pfeil aus seinem Versteck.
    „Heda, Langer! Lass das sein. Hier werden keine Bäume gefällt.“
    Die drei Holzfäller schauten beim Klang seiner Stimme überrascht auf. Der Mann mit der Axt, den Kwin ‘Langer’ genannt hatte, betrachtete ihn neugierig. Aber es war sein kleiner Begleiter, der angriffslustig fragte: „Gehört der Wald dir, dass du über das Holz bestimmst?“
    Aber der Große gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er schweigen sollte.
    Kwin sah über seine Pfeilspitze hinweg den Anführer der drei Artisten an. Er war groß und schwer. Größer noch als Kwin. Er hatte freundlich blickende Augen und um seine Mundwinkel schien sich ein beständiges Lächeln eingegraben zu haben. Glattes braunes Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Sein langer, spitz zulaufender Kinnbart ragte bis ins offene Hemd hinein. Er trug dunkle Kleidung und um die Stirn hatte er sich ein buntes Tuch gebunden. Neben seiner Axt baumelte ein kurzer, dicker Knüppel an seinem Gürtel. Kwin musste unwillkürlich schlucken. Aber jetzt wollte er nicht mehr zurück. Der Gedanke, diese Bäume schutzlos den Artisten zu überlassen, ließ ihn schaudern. Also zähmte er seine Angst und wartete, den Bogen nach wie vor gespannt.
    „Nun, was ist“, bohrte der Mann weiter. „Willst du mich erschießen, wenn ich diesen Baum fälle?“
    Kwin nickte feierlich. „So ist es.“
    Der Große ließ sich Zeit mit einer Erwiderung, forschte in den Gesichtern seiner Begleiter nach Zustimmung und grinste, als sie bestätigend nickten.
    Der Große trat einen Schritt vor, verbeugte sich vor Kwin, führte mit feierlicher Geste seine rechte Hand an seine Brust. „Dann ... “, erklärte er würdevoll, „dann wollen wir von den Bäumen dieses Waldes ablassen und geloben, dass wir ihnen zukünftig kein Leid zufügen werden.“
    „Gut gesprochen, Horik“, lobte sein streitlustiger Begleiter mit einem Lachen. Auch der dritte Mann nickte mit ernster Miene. Kwin hatte das Gefühl, dass ihm hier etwas vorgespielt wurde, dessen Sinn er nicht zu durchschauen vermochte. Wollte der Große ihn verspotten oder war es ihm ernst, mit seinem Versprechen? Kwin fand, dass er viel zu schnell nachgegeben hatte. Gut, er hielt den Bogen mit eingelegtem Pfeil in der Hand, aber sie waren immerhin zu dritt.
    „Aber dies hier“, sagte der Sprecher mit der Axt und wies auf die schon zum größten Teil zerlegte Buche, während er seine Axt hinter den Gürtel schob, „dieses Holz nehmen wir mit.“
    Das war unmissverständlich. Deshalb hatte der Große sich so schnell bereiterklärt, von den anderen Bäumen abzulassen. Sie hatten, was sie wollten. Da fiel es leicht, großherzig zu tun und sich zu begnügen. Aber Kwin wusste, wann er aufzuhören hatte. Auch er hatte sein Ziel erreicht. Der Schaden war sowieso schon angerichtet; die Buche gefällt. Jetzt konnten die Drei das Holz ebenso gut mitnehmen, als dass es hier allmählich verrottete. Also nickte Kwin, senkte erleichtert seinen Bogen und nahm den Pfeil von der Sehne. Sogleich wich die Anspannung aus den Gesichtern der Artisten. Die beiden Säger erhoben sich langsam und gesellten sich zu ihrem Anführer.
    „Wen haben wir denn da?“, fragte der Kleine. Die Frage war wohl an niemanden gerichtet. Aber er hatte laut genug gesprochen, dass Kwin jedes Wort verstanden hatte. Kwin ahnte wohl, dass die drei ihn jetzt verspotten wollten - als Rache für den Verzicht, den er von ihnen gefordert hatte, zukünftig keine

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