Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
kochen sie besser als der nimmersatte Ledus.“
Horik hatte Kwin ans Feuer gesetzt, von wo aus er die Mitglieder der Artistentruppe bei der Verrichtung ihrer alltäglichen Lagerarbeiten beobachten konnte. Ledus und Horik luden den größten Teil des geschnittenen Baumstamms in einen Wagen, weil dringend Bretter für ein neues Bühnenbild gebraucht wurden. Der Rest wurde zu Feuerholz gespalten. Vier der Frauen hatten sich im anderen Wagen versammelt und probten ihre neuen Rollen und Lieder ein. Shiral versorgte die Pferde. Eine Frau namens Wita kümmerte sich ums Essen und das vierte männliche Mitglied lief wild gestikulierend auf und ab, wobei es unverständliche Worte murmelte. Zwischen zwei nahegelegenen Bäumen war ein straff gespanntes Seil befestigt. Darauf lief eine junge Frau mit dunklen, kurzgeschnitten Haaren hin und her, drehte sich, sprang, überschlug sich und landete doch jedes Mal wieder sicher auf dem Seil. Kwin hatte so etwas noch nie gesehen und betrachtete fasziniert ihre Kunststücke. Sie trug ein tiefrotes, enganliegendes Trikot, das Kwin in Verlegenheit brachte. All das, was die Bitterqueller Mädchen und Frauen unter ihren weiten Blusen, Westen und Röcken so geschickt vor den Blicken der Männer verbargen, sprang ihm hier ins Auge und fand seinen Weg hinab bis zum Magen, der sich bei ihrem leichtgekleideten Anblick schmerzlich verkrampfte. Aber da sie keinen Anstoß an seinen offenen Blicken zu nehmen schien, fuhr er fort, sie mit großen Augen staunend zu bewundern. Kwin hatte noch niemals zuvor eine Frau gesehen, die sich so elegant bewegte. Kwin sah in ihr schweißnasses Gesicht und bemerkte, dass sie sehr hübsch war.
Ein wenig später beendete sie ihre Übungen und verschwand schnell im Wagen. Kurz darauf kam sie wieder heraus. Um den Nacken hatte sie ein langes Handtuch geschlungen. Sie lächelte zu ihm herüber und verschwand zwischen den Bäumen. Kwin wusste, was sie vorhatte. Er erhob sich von seinem Platz, ging zu Horik und Ledus und bot seine Hilfe an. Horik schüttelte nur grinsend den Kopf. Ledus nahm dankbar an und tauschte seinen Platz an der Säge mit ihm. Das Tempo, das er vorgab, wurde auch Kwin bald zu viel und er wechselte wieder mit Ledus. So ging es hin und her, bis eine Frauenstimme zum Abendessen rief. Es war immer noch Nachmittag.
„Ich hab’s doch gesagt“, erinnerte Ledus mit einem erwartungsvollen Grinsen, als sich die Artisten nach und nach am Lagerfeuer versammelten. „Hab ich doch, oder? Wer wartet schon auf den Abend, wenn man vorher essen kann, hm?“
Während des Essens erfuhr Kwin allerlei über die Artistengruppe. Er hörte den Ausführungen Horiks freundlich zu, verstand aber anfangs nur die Hälfte, weil er zu sehr mit seinem kräftigen Eintopf und dem überm Feuer gerösteten Fladenbrot beschäftigt war. Es war gutes Essen. Das Beste seit langem. Viel zu lange hatte er darauf verzichten müssen. Als sein erster Hunger gestillt war, kehrte er langsam wieder in die Wirklich zurück.
Horik war der Kraftartist der Gruppe. Er trat als ‘Stärkster Mann von Burnyk’ auf und stemmte dabei allerlei Gewichte, auch Tische und Stühle, auf die er vorher Freiwillige aus dem Publikum setzte. Shiral nannte sich ‘Die menschliche Schlange’. Kwin wollte es nicht glauben, aber Horik versicherte ihm, dass Shiral seinen Körper bei jedem Auftritt derart zusammenfaltete, dass er in eine kleine, eine wirklich kleine Holzkiste passte. Außerdem erfuhr er, dass Ledus und Shiral, so unterschiedlich sie auch sein mochten, Brüder waren. Kwin schüttelte nur den Kopf. Der kleine Ledus brachte die ungewöhnlichste und für die Truppe kostspieligste Nummer, wie Kwin fand. Er saß während der gesamten Aufführung am Bühnenrand und aß. Er schaufelte solche Unmengen an Nahrung in seinen kantigen Körper, dass Kwin bei Horiks Aufzählungen der Mund offenstand. Die Aufführung begann und endete mit Ledus Nummer. Erst glaubte Kwin, da müsse ein Trick dahinterstecken. Als er aber sah, was Ledus noch alles herunterschlang, nachdem die übrigen Artisten schon lange mit ihrem Essen fertig waren, glaubte er jedes Wort.
Zur Truppe zählten außerdem noch Maldine, die Bardin - eine zierliche Person mit langen, feinfühligen Fingern und kräftigen Händen und die Seiltänzerin Lisett, die er am Nachmittag beobachtet hatte. Die übrigen vier waren Schauspieler. Eine von ihnen, Valda, war außerdem eine Hellseherin und las den Leuten aus der Hand.
Horik teilte sich die
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