Der falsche Freund
bisher im Leben angepackt hatte. Ein junger Mann mit Klemmbrett erschien, sah sich um und verkündete begeistert, wie gefragt so etwas sei. Er erklärte, seine Firma bekomme drei Prozent Provision. Zwei, entgegnete ich. Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde, dann erklärte er sich einverstanden. Gleich am nächsten Tag kam eine Frau zur Besichtigung. Sie erinnerte mich an mich selbst, auch wenn sie einen etwas vermögenderen, erwachseneren Eindruck machte.
Außerdem hatte sie einen richtigen Beruf, sie war Ärztin. Ich versuchte, die Wohnung mit ihren Augen zu sehen: Nachdem in letzter Zeit so vieles entfernt worden war, hatte sie fast etwas Minimalistisches, sodass die Beleuchtung viel besser zur Geltung kam und die Räume größer erschienen, als sie in Wirklichkeit waren.
Die Frau sagte, die Wohnung habe eine gute Atmosphäre.
Lächelnd fügte sie hinzu, anscheinend besitze sie gutes Feng Shui. Ich musste an Troy denken, wie er an dem Balken gebaumelt hatte, holte tief Luft und stimmte ihr zu. Eine halbe Stunde später rief der Makler an und informierte mich darüber, dass Rebecca Hanes ein Angebot gemacht habe, das nur zehntausend Pfund unter dem von mir verlangten Preis liege. Ich sagte nein. Er entgegnete, der Markt sei im Moment ein wenig schwach, worauf ich antwortete, das sei mir egal. Zehn Minuten später meldete er sich erneut und erklärte, sie habe die volle Summe geboten, wolle dafür aber sofort einziehen. Ich erwiderte, ich ließe mich nicht drängen und würde erst in einem Monat ausziehen. Er meinte, das könnte ein Problem geben, rief jedoch nach ein paar Minuten wieder an und sagte, es sei in Ordnung. Nachdem ich aufgelegt hatte, fiel mein Blick auf mein Spiegelbild, und ich fragte mich, ob das vielleicht das Geheimnis des Erfolgs war. Oder gar das Geheimnis des Lebens? Wenn einem weniger daran liegt als der anderen Person, dann gewinnt man. War das wirklich ich?
Ich war schon ziemlich weit damit fortgeschritten, mein altes Leben aufzugeben, hatte aber noch nichts unternommen, um für ein neues zu sorgen. Ich holte meinen alten Schulatlas aus dem Regal und schlug die Karte »Südengland und Wales« auf.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich im Hinblick auf mein neues Leben eine existenzielle Freiheit besaß. Außerhalb Londons hatte ich keine besonderen familiären Bindungen. Ich war nicht festgelegt, kein Ort bedeutete mir mehr als ein anderer. Sollte ich die Grenze zwei Zentimeter rund um London ziehen? Fünf Zentimeter? Zehn Zentimeter? Würde ich gern am Meer leben? Und wenn ja, an welchem? In einer kleinen oder einer großen Stadt? Oder direkt auf dem Land? Auf einer Insel?
In einem Cottage mit Reetdach? Auf einem Hausboot? In einem ausrangierten Leuchtturm? Meine Freiheit schien wie ein Abgrund vor meinen Füßen zu klaffen. Es war ein Schwindel erregendes, fast schon beängstigendes Gefühl. Außerdem stimmte die Reihenfolge nicht. Ich musste mir erst mal Gedanken über meine Arbeit machen, herumtelefonieren, einen neuen Job finden. Zum Glück konnte ich das Ganze langsam angehen. Ich hatte mir einen Monat Zeit erkauft, indem ich zu einer netten Frau biestig gewesen war.
Ich fasste einen Entschluss: Ich würde mich jeden Tag mit zwei Leuten in Verbindung setzen, die mir unter Umständen bei meiner Jobsuche weiterhelfen könnten. Nachdem ich mich mit einem Blatt Papier hingesetzt und fünf Minuten nachgedacht hatte, stand auf meiner Liste ein einziger Name, ein Typ namens Eamonn Olshin, der gerade sein Architekturstudium abgeschlossen hatte. Ich rief ihn an und bat ihn, sich mit mir zu treffen, denn ich wolle mich beruflich verändern, vielleicht könne er mir ein paar Tipps geben. Zu meiner Überraschung war Eamonn ausgesprochen freundlich. Ich betrachtete die Welt um mich herum nun schon so lange als feindselig und tückisch, dass ich es bereits merkwürdig fand, wenn sich jemand einfach nur freute, von mir zu hören. Eamonn erklärte, es sei komisch, dass ich anriefe, weil er nämlich schon eine ganze Ewigkeit vorhabe, sich endlich mal wieder bei mir zu melden. Auf seine Frage, wie es mir denn so gehe, antwortete ich ziemlich ausweichend.
Spontan lud er mich gleich für denselben Abend ein; er gebe ein kleines Essen für ein paar Freunde und fände es nett, wenn ich auch käme. Mein erster Impuls war, nein zu sagen, erstens, weil ich den Rest meines Lebens allein in einer Höhle verbringen wollte, und zweitens, weil es mir irgendwie erbärmlich vorkam, als wäre ich krampfhaft
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