Der falsche Freund
auf der Suche nach neuen Freunden.
Aber letztendlich war ich das. Vielleicht nicht krampfhaft, aber doch auf der Suche. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf.
An wen hätte ich mich in einer solchen Situation normalerweise gewandt? Laura. Ich versuchte, nicht allzu verzweifelt zu klingen, als ich seine Einladung annahm.
Eamonn wohnte in Brixton. Ich wollte meine Lässigkeit unter Beweis stellen, indem ich ein wenig verspätet kam, hatte dann aber tatsächlich Schwierigkeiten, die Adresse zu finden, und tauchte ziemlich spät auf. Mein Plan war außerdem gewesen, ganz cool in die kleine Party hineinzuschneien, aber nachdem ich fünf Leute nach dem Weg gefragt hatte und im Laufschritt durch irgendwelche Seitenstraßen gehastet war, lag die Wohnung auch noch im obersten Stockwerk, sodass mir der kalte Schweiß auf der Stirn stand, als ich schließlich kurz vor neun völlig aufgelöst und wie ein Walross keuchend dort eintraf.
Von den acht Leuten, die rund um den Tisch saßen, kamen mir drei oder vier vage bekannt vor. Eamonn stellte sie mir nacheinander vor, allen voran seine Freundin Philippa, worüber ich ziemlich erleichtert war. Anscheinend hatte er mich tatsächlich nur eingeladen, weil er sich freute, mich mal wieder zu sehen. Die anderen Namen bekam ich kaum mit. Bis ich mich wieder gefangen hatte, war die Vorstellungsrunde vorüber.
Sie waren bereits bei der Hauptspeise angelangt. Ich erklärte, ich würde sie sicher schnell einholen, nahm mir dann aber nur eine kleine Portion Lasagne. Ich setzte mich neben Eamonn, und wir sprachen kurz über meine Pläne. Er meinte, ich würde bestimmt keine Schwierigkeiten haben, etwas zu finden, ging aber offenbar davon aus, dass ich etwas in London suchte. Als ich ihm erklärte, dass ich die Stadt verlassen und eventuell aufs Land ziehen wolle, starrte er mich verblüfft an.
»Wohin?«, fragte er. »Warum?«
»Ich brauche einen Tapetenwechsel«, antwortete ich.
»Natürlich«, stimmte er mir zu. »Gönn dir ein Wochenende auf dem Land. Da gibt es tolle Angebote. Ein paar Tage ist das sicher wunderbar. Aber doch nicht für länger. Jeder vernünftige Mensch lebt in London. Der Rest von England ist bloß dazu da
…« Er hielt inne, als könnte er sich nicht erinnern, wozu der Rest eigentlich da war. »Ich weiß auch nicht, zum Wandern oder so. Meistens fliegt man nur drüber weg, wenn man anderswohin reist.«
»Ich meine es ernst«, erwiderte ich.
»Ich auch«, gab Eamonn zurück. »Wir können es uns nicht leisten, dich zu verlieren. Denk an die vielen Leute, die sich als blinde Passagiere auf Schiffen, in Containern und unter Lastwagen verstecken, nur um nach London zu gelangen. Und du willst freiwillig der Stadt den Rücken kehren! Das darfst du nicht.«
Philippa sah ihren Freund mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Sie hat gesagt, dass sie es ernst meint.«
Wahrscheinlich fand sie, dass Eamonn zu nett zu mir war.
Leicht eingeschnappt erklärte er, er werde seinen Chef fragen, ob er irgendwelche Leute kenne, die »nicht gut genug waren, um es in London zu schaffen«. Wir unterhielten uns noch eine Weile, dann ging uns langsam der Gesprächsstoff aus. Mein anderer Tischnachbar stupste mich von der Seite an. Er war einer von denen, die mir irgendwie bekannt vorkamen. Natürlich hatte ich mir seinen Namen nicht gemerkt. Leider erinnerte er sich an meinen.
»Miranda«, sagte er. »Freut mich total, dich mal wieder zu sehen.«
»David! Blimey!« Gerade noch rechtzeitig war es mir wieder eingefallen. Er trug sein Haar inzwischen kürzer, und der kleine Oberlippenbart war auch neu.
Er drohte mir neckend mit dem Zeigefinger. »Weißt du noch, wo wir uns das letzte Mal gesehen haben?«
»Es liegt mir auf der Zunge …«
»Beim Schlittschuhlaufen im Alexandra Palace. Du bist ziemlich oft auf deinem Hintern gelandet.«
Eine Welle der Übelkeit stieg in mir hoch. O ja. Er hatte zu der Clique gehört, mit der ich an dem Tag unterwegs gewesen war, als ich Brendan kennen lernte. Ausgerechnet ihn musste ich hier treffen. Was hatte ich eigentlich verbrochen, dass Gott mich derart strafte?
»Stimmt«, sagte ich.
David lachte.
»Das war ein netter Nachmittag«, meinte er. »Eigentlich sollte man so was viel öfter machen, aber irgendwie schafft man es nie. Haben wir beide nicht so eine Art Conga auf dem Eis getanzt?«
»Ich glaube nicht, dass ich dazu schon in der Lage war, ich
…«
Er kniff nachdenklich die Augen zusammen. Ich dachte: Bitte, lieber Gott,
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