Der falsche Freund
nein.
»Hast du nicht …?« Er hielt einen Moment inne. »Jemand hat mir erzählt, du hättest etwas mit dem Typen gehabt, der damals auch dabei war.«
Ich blickte mich rasch um, stellte zu meiner Erleichterung jedoch fest, dass zwischen den anderen eine angeregte Diskussion über die Vor- und Nachteile des Landlebens im Gange war.
»Ja«, antwortete ich. »Ganz kurz.«
»Wie hieß er noch mal?«
Konnte er nicht endlich den Mund halten?
»Brendan«, antwortete ich. »Brendan Block.«
»Ach ja, genau. Seltsamer Typ. Ich hab ihn bloß ein paarmal getroffen. Er war ein alter Freund von einem der Jungs, aber …«
David lachte. »Man hört erstaunliche Geschichten über ihn.«
Wir schwiegen einen Moment. Ich wusste genau, dass es spätestens jetzt an der Zeit war, das Thema zu wechseln. Ich konnte David fragen, in welchem Teil von London er lebe, was er beruflich mache, ob er solo sei, wo er in Urlaub hinfahre, alles, nur nicht das, wovon ich genau wusste, dass ich es gleich sagen würde.
»Zum Beispiel?«
»Ich weiß auch nicht«, antwortete David. »Seltsames Zeug eben. Er macht Sachen, die wir anderen nicht machen würden.«
»Du meinst, tolle Sachen?«
»Ich meine Sachen, die sich ein normaler Mensch höchstens mal in seiner Phantasie ausmalt. Dieser Brendan dagegen geht hin und tut es.«
»Ich kann dir nicht so ganz folgen.«
David schien sich plötzlich ein wenig unbehaglich zu fühlen.
»Ihr seid nicht mehr zusammen, oder?«
»Wie gesagt, es war nur was ganz Kurzes.«
»Ich habe die Geschichte von jemandem gehört, der mit ihm am College war.«
»Er hat in Cambridge studiert, oder?«
»Vielleicht später, diese Sache ist irgendwo in den Midlands passiert, glaube ich. Wenn ich es richtig verstanden habe, ließ Brendan damals alles ziemlich schleifen. Er machte so gut wie gar nichts. Seine Vorstellung von harter Arbeit beschränkte sich anscheinend darauf, die Essays der anderen zu kopieren. Einer seiner Dozenten war irgendwann derart genervt, dass er ihm eine glatte Sechs gab. Brendan wusste, wo der Mann wohnte, fuhr hin und sah seinen Wagen vor dem Haus stehen. Der Dozent hatte eins der Fenster einen Spalt weit offen gelassen.
Brendan zog sich Gummihandschuhe an – du weißt schon, wie man sie zum Abspülen verwendet – und verbrachte einen Abend damit, die ganze Hundescheiße in der Gegend einzusammeln und durch den Spalt in das Auto zu schieben.«
»Das ist ja widerlich!«, sagte ich.
»Aber auch erstaunlich, findest du nicht? Wie ein Stunt in einer Fernsehshow. Stell dir mal vor, du kommst am Morgen runter, öffnest deine Wagentür, und eine Tonne Hundescheiße quillt dir entgegen! Und dann darfst du den Wagen auch noch sauber machen. Ich meine, versuch mal, diesen Geruch wieder rauszubekommen!«
»Das ist nicht mal lustig«, erklärte ich. »Es ist einfach nur grauenhaft.«
»Ich kann auch nichts dafür«, meinte David. »Mein Freund war er ja nicht. Es gibt da noch eine andere Geschichte über einen Hund. Allerdings erinnere ich mich nicht mehr so genau an die Einzelheiten. Ich glaube, sie hatten irgendwo ein Haus gemietet, und ein Nachbar ging ihnen auf die Nerven, ein alter Mann, der einen von diesen zotteligen, räudigen Hunden besaß.
Das Vieh lief im Garten herum und trieb mit seinem ständigen Gekläffe alle in den Wahnsinn. Brendan hatte ein Händchen für Tiere. Mein Freund sagte, der wildeste Rottweiler konnte auf einen zustürmen, aber nach ungefähr fünf Sekunden kraulte Brendan ihn am Hals, und der Hund wälzte sich lammfromm auf dem Boden herum. Brendan schnappte sich also diesen Hund und verfrachtete ihn in den Lastwagen irgendeiner Baufirma, der kurz darauf wegfahren sollte. Die anderen Leute, die es mitbekamen, dachten, dass er nur Spaß machte und den Hund wieder herausholen würde, aber das tat er nicht. Der Fahrer stieg in den Wagen und fuhr los, während man den Hund hinten wie wild bellen hörte. Wahnsinn!«
»Der alte Mann hat seinen Hund nicht mehr zurückbekommen?«
»Brendan behauptete, er habe testen wollen, ob Hunde wirklich aus großer Entfernung wieder nach Hause fänden, wie man es so oft in der Zeitung liest. Er sagte, er habe diese Berichte eindeutig widerlegt.«
Als ich erneut einen Blick in die Runde warf, stellte ich fest, dass die anderen inzwischen verstummt waren.
»Wie grausam!«, bemerkte eine Frau auf der anderen Seite des Tisches.
»Ich muss zugeben«, räumte David ein, »dass es nicht so lustig rüberkommt, wie ich dachte. Der
Weitere Kostenlose Bücher