Der falsche Mann
beantragen.«
Der Richter blickte zu Wendy, allerdings ohne wirklich einen Rat von ihr zu erwarten. Er hatte mir übel mitgespielt, und vermutlich spekulierte er darauf, dass es sich vor dem Berufungsgericht günstig für ihn ausnahm, wenn er mir auf meine Bitte hin einen zusätzlichen Tag gewährte.
» Einverstanden«, sagte er. » Mittwoch, der achte Dezember um neun Uhr. Dann werden wir die Verhandlung wieder aufnehmen und zwar ohne jede weitere Verzögerung.«
Mit diesen Worten wies uns der Richter aus seinem Zimmer. Es war eine ungünstige Wendung für unseren Fall, trotzdem schoss neues Adrenalin durch meine Adern. Ich hatte morgen einen freien Tag. Und irgendetwas sagte mir, dass ich ihn brauchen würde.
Denn morgen war der 7. Dezember. Morgen war Pearl Harbor Day.
91
» Kolarich, beruhigen Sie sich«, sagte Lee Tucker am Telefon.
» Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Lee? Morgen ist …«
» Ich habe verstanden. Hören Sie, wir müssen uns treffen.«
Wir klärten die Details und legten auf. Im Gerichtssaal konferierte ich mit Tom und Tante Deidre, dann besprach ich mit Shauna unser weiteres Vorgehen.
» Pass auf, Lady«, sagte ich und legte ihr die Hand fest auf die Schulter. » Du und alle anderen aus der Kanzlei – niemand von euch geht morgen zur Arbeit. Bleibt weg von der Innenstadt. Das ist kein Spaß. Verstanden?«
» Gott, bist du dir so sicher?« Sie entzog sich meiner Hand. » Ich meine, wenn das wirklich stimmt mit dem Anschlag, müssten wir es dann nicht von sämtlichen Dächern brüllen?«
» Es ist nicht hundert Prozent sicher. Mein Bauchgefühl sagt es mir. Aber in wenigen Minuten berichte ich dem FBI davon.« Ich zuckte mit den Achseln. » Ansonsten kann ich da wenig tun, Kleines. Ich kann keine Stadt evakuieren lassen. Aber mir ist es ernst damit, ist das klar? Versprich es mir, Shauna Tasker.«
» Okay, versprochen. Morgen machen wir Betriebsurlaub. Aber nur, wenn du versprichst, dass du auch wegbleibst.«
» Ich pass auf mich auf«, versicherte ich ihr und machte mich auf den Weg, bevor sie weitere Forderungen stellen konnte.
***
Keine zehn Minuten später hielt Lee Tuckers unauffälliger Regierungs-Sedan unten am Straßenrand. Ich sprang auf den Rücksitz.
» Jason Kolarich, Special Agent Barry Clemens.« Lee, der hinterm Steuer saß, deutete auf einen großen Afroamerikaner, der einen durchtrainierten Eindruck machte und die Rückbank mit mir teilte. » Und das ist Dan Osborne von der Abteilung für Terrorismusbekämpfung im Justizministerium.« Osborne saß auf dem Beifahrersitz, ein älterer Mann mit militärisch kurz geschnittenen roten Haaren. Diesen Kerlen stand Regierungsbehörde förmlich auf der Stirn geschrieben.
» Die Informationen, die ich Ihnen gegeben habe, haben sich bestätigt«, mutmaßte ich.
Osborne nickte. » Sie haben sich bestätigt.«
» Morgen ist Pearl Harbor Day«, sagte ich. » Morgen wird es passieren.«
Lee blickte zu Osborne, dann betrachtete er mich im Rückspiegel. » Hören Sie gut zu, Kolarich. Wir gewähren Ihnen in dieser Sache einen Vertrauensvorschuss. Und das nicht, weil wir Sie für einen tollen Typen oder einen aufrichtigen Kerl halten. Sondern weil wir es in diesen Zeiten nicht riskieren können, es nicht zu tun. Verstehen Sie, was ich meine?«
» Ja.«
» Wenn Sie in Bezug auf diese Typen recht haben, dann kennen Sie die besser als wir. Nichtsdestotrotz bleibt alles, was wir Ihnen hier mitteilen, unter uns. Abgemacht?«
» Abgemacht«, sagte ich. Allerdings wusste ich nicht, ob ich zu diesem Versprechen würde stehen können. Die Verteidigung meines Mandanten hing möglicherweise entscheidend von den hier erhaltenen Informationen ab. Doch mit diesem Problem würde ich mich – wenn nötig – später herumschlagen.
» Wenn Sie irgendwelche Tricks versuchen …«
» Keine Tricks, Lee. Ich habe verstanden.«
Er musterte mich einen Augenblick lang, dann nickte er. » Morgen ist Pearl Harbor Day«, sagte er. » Ich hatte keine Ahnung, aber offensichtlich feiert unsere Stadt diesen Tag jedes Jahr mit einer Parade.«
» Bürgermeister Champion ist die treibende Kraft dahinter«, sagte ich. » Er steht auf diesen Militärkram. Er war bei den Marines. Und sein Sohn ist ein Marine. Und sein Vater und dessen Vater waren Marines. Deshalb veranstalten wir jedes Jahr eine Parade. Zwar eine kleine, kurze Parade, aber immerhin. Und der Bürgermeister kann fast immer den Gouverneur zum Mitmarschieren bewegen. Und … oh,
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