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Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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Antipathie gegen ihren Widersacher, den Verteidiger. Für mich war die Welt nie einfach nur schwarz oder weiß gewesen, denn ich war selbst in meiner Jugend mehr als einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Viele Menschen aus meinem alten Viertel würden vermutlich sagen, meine Größe und meine Fähigkeit, einen Football zu fangen und dann wie der Teufel zu rennen, hätten mich davor bewahrt, selbst im Gefängnis zu landen, anstatt andere dorthin zu schicken.
    Darüber hinaus war das Mordopfer eine Frau, sie war weiß, und sie lebte auf der North Side. Dort oben fallen Menschen normalerweise keinem Gewaltverbrechen zum Opfer. Auf der South Side oder auf der West Side, klar, da ist es an der Tagesordnung, dass Menschen eines gewaltsamen Todes sterben. Aber wenn jemandem aus den besseren Vierteln so etwas zustößt, und besonders einer weißen Frau, dann landet das auf den Titelseiten.
    Ich reichte Tori die beschlagene Wasserflasche. Vermutlich war ihr mehr danach, sie gegen ihre Stirn zu pressen, als daraus zu trinken. Verdammt, vielleicht wäre sie sowieso am liebsten aus dem Raum gestürzt.
    » Hat es dir die Sprache verschlagen?«, fragte ich, um sie aus ihrer Trance zu wecken.
    » Er … hat sie getötet?«
    » Man beschuldigt ihn der Tat«, sagte ich, aber dieses mitschwingende kleine unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils entschärfte die Sache offenbar nur bedingt.
    Tori wandte sich ab. Vielleicht war sie angewidert, oder sie hatte Angst. Ja, vermutlich fragte sie sich noch einmal ernsthaft, ob sie wirkich an mir interessiert war.
    Ich schnappte mir einen der Sessel vor meinem Schreibtisch, drehte ihn um und warf mich hinein. » Das ist nun mal mein Job, junge Frau.«
    Sie holte tief Luft und blickte mich an. Wie kannst du nur so was tun?, schien sie zu denken. Wie kannst du jemanden verteidigen, der eine wehrlose Frau getötet hat?
    » Warum hat er sie getötet?«, fragte sie.
    Ich zuckte mit den Achseln. » Wenn du mich vor einer Woche gefragt hättest, hätte ich gesagt, dieser Mann war ein Army Ranger, der den Verstand verlor, als er aus dem Irak zurückkehrte. Er litt unter posttraumatischem Stress, der eine schlummernde Schizophrenie auslöste. Er hat sie getötet, weil er dachte, es wäre Krieg. Er wusste nicht, was er tat.«
    Das schien Toris Einstellung zu verändern. Mein Mandant war ein kranker Kriegsveteran, kein böses Monster.
    » Ich habe den Fall erst vor ein paar Wochen übernommen«, sagte ich. » Zu dem Zeitpunkt setzte die Verteidigung klar auf Schuldunfähigkeit, der Psychiater stand bereits in den Startlöchern, Augenzeugen gibt es nicht. Es lief auf einen Kampf der Sachverständigen hinaus.«
    » Und jetzt?«
    » Jetzt denke ich, dass mein Mandant die Tat überhaupt nicht begangen hat.«
    Sie überlegte einen Moment. Unseren bisherigen Gesprächen nach zu urteilen konnte sie den vertrackten juristischen Kalkulationen einen gewissen Reiz abgewinnen. Sie schienen ein Gegengewicht zu ihrer instinktiven Abneigung zu bilden.
    Aber in Wahrheit hatte ich natürlich keine Ahnung, was sich in ihrem Kopf abspielte.
    » Du glaubst, er ist unschuldig? Und der Fall steht ›irgendwie in Zusammenhang‹ mit dem Tatort, zu dem du mich mitgenommen hast?«
    » Möglicherweise ja. Ich bin mir nicht sicher, aber ich halte es für vorstellbar.«
    Tori streifte ihre hochhackigen Schuhe ab und zog ihre Knie hoch auf die Couch. Ich betrachtete sie eingehend. Zum ersten Mal hatte sie sich in meiner Gegenwart eines Kleidungsstücks entledigt. Klar, es waren nur Schuhe, aber kleine Schritte führten irgendwann zum Ziel, richtig? Was wären wir ohne unsere Träume.
    Ich legte die Fingerspitzen aneinander. » Was du auf der Arondale gesehen hast – das war Lorenzo Fowler. Er war ein Mafioso. Der Mord wurde von einem Profi verübt. Der Täter verwendete eine halb automatische Pistole und schoss aus größerer Entfernung. Die Knieschüsse waren eine Botschaft. Und er hat die Patronenhülsen aufgesammelt.«
    » Hat das was zu bedeuten – die Patronenhülsen?«
    » Er wusste, was er tat. Ein Profi sammelt die Patronenhülsen ein, damit man keine Rückschlüsse auf seine Waffe ziehen kann. Es war eindeutig ein Auftragsmord.«
    » Okay. So weit kann ich folgen.«
    » Und dann haben wir noch meinen Mandanten und den Mord in Franzen Park. Angeblich erlebte Tom einen Rückfall in den Irakkrieg und erschoss deswegen diese Frau aus etwa drei Metern fünfzig Entfernung. Und zwar mit einer Glock, also vermutlich mit

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