Der falsche Mann
öfter, dass ich was an den falschen Ort lege. Schätzungsweise ging es ihr auch so.«
Klar, das war eine Möglichkeit. » Kathy hat das Päckchen also ein oder zwei Tage vor ihrem Tod abgeschickt?«
» Genau.«
Es war nur schwer vorstellbar, dass es sich um einen Zufall handelte. » Es war für Ihren Geburtstag bestimmt – das Päckchen, meine ich.«
» Ja. Mein einundsechzigster. Unsere Geburtstage waren in derselben Woche. Ich wurde einundsechzig, sie wäre vierundzwanzig geworden. Aus beruflichen Gründen wollte sie uns erst in der darauffolgenden Woche besuchen, aber ich sollte mein Geschenk trotzdem rechtzeitig zu meinem Geburtstag bekommen. Das war typisch für sie.«
Okay, vielleicht doch ein Zufall. » Haben Sie das FedEx-Päckchen noch?«
Er schüttelte den Kopf. Nein. Aber das war in Ordnung. Wir wussten, zu welchem Datum es in etwa verschickt worden war und kannten den Absender und den Empfänger. Falls wir einen Beweis für die Auslieferung brauchten, ließ er sich leicht beibringen.
» Auf der Rückseite«, sagte Lightner.
Ich drehte mich zu ihm. » Was?«
» Schau auf die Rückseite des Dokuments«, wiederholte er.
Ich drehte das Schriftstück um und entdeckte eine handschriftliche Notiz. Vier Großbuchstaben, gefolgt von zwei Fragezeichen.
AN
NM
??
» Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Ray, als ich ihn fragte, ob ihm diese Initialen etwas sagten.
» Hat Kathy vorher angekündigt, dass sie irgendetwas mitschicken würde?«, versuchte ich es.
» Nicht dass ich wüsste. Nein, ich glaube nicht.«
» Hat sie in der Zeit vor ihrem Tod irgendwas über ihre Arbeit erzählt? Hatte sie vielleicht Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder sonst wo?«
Ray stieß den Zeigefinger in meine Richtung. » Sie tun es schon wieder. Sie wollen mein kleines Mädchen in den Schmutz ziehen.«
Ich hob die Hände. » Das war nicht meine Absicht. Wirklich.«
Kathys Eltern starrten mich lange an. Es war klar, hier war eine Grenze erreicht.
Ich dankte ihnen überschwänglich und verließ ihr Haus mit dem Dokument in der Tasche. Als wir unseren Wagen erreichten und ein ganzes Stück außer Hörweite der Rubinkowskis waren, blickten Joel und ich uns an.
» Möglicherweise unbedeutend«, sagte ich.
» Ja, möglicherweise«, stimmte er zu. » Aber das Timing ist interessant.«
29
Der Konferenzraum unserer Kanzlei war zur inoffiziellen Einsatzzentrale für den Stoller-Prozess umfunktioniert worden. In einer Ecke standen Fotos des Tatorts auf dreibeinigen Stativen. In eine andere Ecke hatten wir einen Fernseher gerollt, auf dem wir jederzeit die DVD mit Tom Stollers Verhör betrachten konnten. Ein paar Kartons waren auf dem Konferenztisch abgestellt.
Der Raum war für unsere Zwecke mehr als ausreichend. Es gab nicht übermäßig viele Dokumente in diesem Fall. Die meisten betrafen Sachbeweise und forensische Analysen. Und zu den Zeugen gab es kaum Unterlagen. Wir hatten Dr. Sofian Baraniq und Bobby Hilton, den Army Ranger und ehemaligen Kameraden. Dann war da noch ein Mann namens Sheldon Pierson, der ganz in der Nähe des Tatorts auf der Gehringer Avenue wohnte. Seiner Aussage zufolge war er zur Tatzeit draußen auf der Straße gewesen, hatte jedoch nicht das Geringste gehört oder gesehen.
Trotzdem konnte er sich für mich als äußerst hilfreich erweisen.
Ich ging erneut das Protokoll des Polizisten durch, der an jenem Abend zum Tatort ausgerückt war, während Bradley die Akten des Falles LabelTek Industries Inc. gegen Global Harvest International Inc. studierte. Gestern nach meinem Gespräch mit den Rubinkowskis hatte ich Bradley angewiesen, die gesamten Akten vom Bezirksgericht anzufordern.
Ich wollte mich gerade nach seinen Fortschritten erkundigen, das stürmte Shauna in den Raum, als hätte sie Neuigkeiten zu verkünden.
» Ja, Ms. Tasker?«, sagte ich.
Sie hielt ein Dokument hoch. » Ein Antrag der Staatsanwaltschaft. Das wird dir nicht gefallen.«
» Bist du sicher, dass er mir nicht gefallen wird?«
» Verdammt sicher.«
» Wendy beantragt, eine auf Schuldunfähigkeit basierende Verteidigung auszuschließen«, sagte ich.
Shauna legte den Kopf schief. » Woher hast du das gewusst? Hat sie’s dir verraten?«
» Nein, aber das hätte ich an ihrer Stelle auch getan.« Ich nickte und streckte meine Hand nach dem Dokument aus. » Sie beklagt mangelnde Kooperation, richtig?«
» Richtig.« Sie reichte mir den Antrag.
In Wahrheit war ich sogar überrascht, dass Wendy Kotowski so lange damit
Weitere Kostenlose Bücher