Der falsche Mann
starr geradeaus und bewahrte eine militärische Haltung.
» Sie dürfen keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Niemals. Verstanden?«
» Verstanden, Sir.«
Manning schüttelte verärgert den Kopf. » Jetzt muss ich Sie bestrafen, Patrick. Denn wenn ich es nicht tue, lenkt das noch mehr Aufmerksamkeit auf Sie.« Er deutete zur Tür. » Richard Moore will Sie einen Monat suspendieren. Aber das kann ich ja wohl schlecht, Patrick, oder?«
Nein, das konnte er nicht. Denn bei einer einmonatigen Suspendierung wäre Cahill bis zum 15. Dezember außer Dienst gewesen. Und Randall Manning brauchte Patrik vorher.
» Ich ziehe Ihnen einen Monatslohn ab«, sagte Manning. » Die Buchhaltung kürzt Ihre wöchentlichen Lohnzahlungen über sechs Monate hinweg um den entsprechenden Betrag. Allerdings werde ich die Differenz aus eigener Tasche ausgleichen, sodass Sie trotzdem den vollen Lohn erhalten. Aber, Patrik, das ist Ihre letzte Chance. Wenn Sie von jetzt an bis zum Zeitpunkt der Operation noch mal Mist bauen, dann werde ich ungemütlich.«
Manning näherte sich Cahills Gesicht bis auf wenige Zentimeter.
» Wer hat sich um Sie gekümmert, als Sie niemanden hatten?«
» Sie, Sir.«
» Wer hat Ihnen einen Job und eine Wohnung besorgt?«
» Sie, Sir.«
» Wer hat Ihnen die Chance gegeben, die Welt zu verändern?«
» Sie, Sir.«
» Es herrscht Krieg, Patrick, und schon bald werden alle gezwungen sein, sich auf eine Seite zu schlagen. Sorgen Sie dafür, dass Sie auf der richtigen Seite stehen. Keine Fehler mehr. Und jetzt gehen Sie.«
Patrick Cahill machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Büro.
28
Joel Lightner und ich lauschten den Schritten von Ray Rubinkowski und dem arthritischen Knirschen seiner Gelenke, als er die Treppe wieder herunterkam. Wir hatten keine Vorstellung davon, was er uns zeigen würde. Als Ray in den Salon trat, reichte er mir ein zweiseitiges, zusammengeheftetes Dokument.
» Wenn das für Sie irgendeine Bedeutung hat«, sagte er. » Wendy meinte, für sie hätte es keine.«
Er erwähnte das bereits zum zweiten Mal.
Es war ein juristisches Dokument. Die Überschrift lautete: Beweisstück A: Antworten auf Antrag zur schriftlichen Erwiderung #2. Rechts oben auf dem Dokument waren der Fall und die Prozessregisternummer vermerkt: 09 CH 1741. Das verriet mir, dass es sich um eine Zivilklage handelte, die im Jahr 2009 vor einem Staatsgericht verhandelt worden war.
Der Fall trug die Bezeichnung LabelTek Industries Inc. gegen Global Harvest International Inc.
Weder LabelTek noch Global Harvest International sagten mir etwas. Nichts an dem Dokument ließ auf den Gegenstand des Rechtsstreits schließen.
» Das ist ein Schriftstück zur Offenlegung der Beweise während eines Verfahrens«, erklärte ich. » Kathy war Anwaltsgehilfin, daher fiel das in ihren Tätigkeitsbereich.«
» Richtig, das war ihre Aufgabe«, bestätigte Ray.
Jede Partei hat während der Verfahrensvorbereitung das Recht auf schriftliche Antworten bezüglich ihrer Anfragen. Wir nennen das » Offenlegung der Beweise«. Schickt eine Partei der anderen Fragebogen, so nennen wir das » Anfrage zur schriftlichen Erwiderung«. Ich nenne diesen Teil der Anwaltstätigkeit » langweilig« und » unerträglich«.
Aber vielleicht war es das diesmal nicht. Das Dokument, das ich hier in Händen hielt, war eine Antwort auf eine schriftliche Anfrage. Die Antwort war lang und bildete offenbar selbst ein eigenes Beweisstück. Soweit ich wusste, war das üblich so, ohne jedoch wirklich Genaueres darüber sagen zu können. Diese Art von Beweisoffenlegung war normalerweise Sache von Zivilrechtsanwälten. Und ich mied Zivilrecht genauso weiträumig wie rohes Gemüse.
Die Antwort auf die schriftliche Anfrage listete eine Reihe von Unternehmen auf. Die Liste war zwei Seiten lang und vermerkte vierundsiebzig Firmen. Es waren ein paar bekannte Fortune-500-Firmen darunter, aber die meisten waren mir unbekannt.
Ich blickte zu Ray Rubinkowski, der mich aufmerksam musterte. » Kathy hat Ihnen das gegeben?«, fragte ich.
Ray nickte. » Ein paar Tage nach Kathys Tod bekam ich ein FedEx-Päckchen. Es enthielt eine Glückwunschkarte zu meinem Geburtstag, einen Pullover in Geschenkpapier und dieses Dokument.«
Ich konnte keinerlei Zusammenhang zwischen diesem Dokument mit irgendeiner mich interessierenden Frage erkennen.
» Vermutlich war es ein Versehen«, sagte er. » Das Papier ist vielleicht einfach reingefallen oder so was. Passiert mir
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