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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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überbrückt nur die Zeit zwischen Winter und Sommer, der ist nichts Eigenständiges.«
    »Und dann behauptest du, ich sei unromantisch«, bemerkte Bastard seufzend. »Okay … vergessen wir das. Aber denk daran, mein Dichterfreund, dass du aufbrechen musst, um die Muskeln spielen zu lassen.«
    »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass das keine Muskelspiele sind, sondern geschäftliche Verhandlungen!«
    »Von mir aus kannst du es nennen, wie du willst!« Bastard zwinkerte mir zu. »Lass die Zigaretten hier und fahr los. Und vergiss nicht, den Lauf deiner Pistole zu reinigen.«
    »Irgendwann setze ich diesen Kerl noch vor die Tür«, sagte Dschingis zu mir. »Ob du’s mir glaubst oder nicht.«
    »Ich glaub’s dir nicht«, erwiderte ich.
    »Dann eben nicht. Doch Spaß beiseite. Wo gehst du in die Tiefe , Leonid? Da Pat nicht mitkommt, gibt es hier noch einen freien Rechner. Und ich habe eine gute Verbindung.«
    »Ich gehe lieber von zu Haus aus. Daran bin ich gewöhnt.«
    »Gut. Dann bis um acht.«
    Dschingis verließ die Küche. Der Retriever, der es sich unter dem Tisch gemütlich gemacht hatte, erhob sich, stapfte auf der Stelle herum und sah bald sein Herrchen, bald uns an.
    Quantität siegte über Qualität. Byte stieß einen fast menschlichen Seufzer aus und legte sich wieder hin.
    »Das hat Dschingis manchmal«, erklärte Bastard amüsiert. »Dieser verfluchte Romantiker! Jedenfalls musst du bei solchen Anfällen gut zuhören und im richtigen Moment anfangen loszugiften. Sonst kann er sich die Karten legen. Dann erzählt er nämlich seinem Geschäftspartner was von der Unvollkommenheit des Universums, von der Schönheit, die in grauen Steinen verborgen ist, vom abklingenden Sommer und davon, wie bitter ein Vogel schreit, der sich nachts an einem sternenlosen Himmel verirrt hat. Irgendwann speichert dann jemand ab, dass Dschingis mächtig abgebaut hat – und das wäre sein Ende. Dann wäre es aus mit dem guten Osceola. Oder war es Akela, der unterging? Wer war jetzt das Oberhaupt des Wolfrudels und wer der Häuptling der Seminolen?«
    »Akela.«
    »Was ist mit Akela?«
    »Akela ist untergegangen.«
    »Du schwindelst mich auch nicht an?«, fragte Bastard in strengem Ton. »Es ist lange her, dass ich das letzte Mal Kipling gelesen habe.«
    »Aber Dschingis wird jetzt nicht untergehen?«
    »Der wird jetzt vermutlich jemand gewaltig über den Tisch ziehen. Der Geschäftsmann Dschingis und der Freund Dschingis sind zwei völlig unterschiedliche Personen. Den ersten kenne ich zum Glück kaum, gepriesen sei der Allmächtige.«

11
    Deep.
    Enter.
    Ein Farbstrudel.
    Fast alle assoziieren mit dem Deep-Programm Schnee. Warmen, bunten Schnee zwar, aber trotzdem. Doch jetzt war Dibenko bereit, der Welt einen ewigen Sommer zu schenken.
    Warum kommt mir der bloß wie eine Schneewüste vor?
    Aber damit muss ich wohl unrecht haben. Nein … das trifft die Sache nicht. Vielmehr habe ich nicht das Recht, für andere eine Entscheidung zu treffen. Wenn Artificial nature selbst Dschingis in Versuchung führt, wie würde dann erst ein durchschnittlicher User reagieren? Ein junger Mann aus der Provinz zum Beispiel, der sich nachts auf seinem Arbeitsplatz einschließen lässt, nur um über eine hundsmiserable Verbindung in die Tiefe zu gehen, noch dazu ohne VR-Anzug und Helm. Nur um unter dem Himmel Deeptowns umherzustreifen, nur um einmal nach Herzenslust in den Elfenwelten zu spielen, in einen billigen Puff zu rennen oder ein teures Restaurant zu besuchen, das er sich im richtigen Leben nie würde leisten können. Oder ein an den Rollstuhl gefesselter Mensch, für den die Tiefe die einzige Möglichkeit darstellt, mit eigenen Beinen über Gras zu laufen – das echt wirkt, obwohl es nur gezeichnet ist. Was sollten dann all die
anderen unglücklichen, sehnsüchtigen, gequälten, müden und enttäuschten Menschen zu Artificial nature sagen?
    Die Tiefe …
    Es ist ein Tanz. Ein Tanz von warmen Schneeflocken. Ein Wasserstrudel, der dich in die Dunkelheit zieht. Ein Kaleidoskop. Ein Feuerwerk …
    Es ist Licht.
    Ich stehe in meinem Hotelzimmer. Alles ist wie immer. Auf dem Bett liegen Proteus und der Biker, diese müden alten Puppen.
    Du wirst zu mir kommen, Dark Diver. Und dann reden wir miteinander.
    Ich überprüfe meine Taschen. Die Pistole, die mir Dibenko geschenkt hat, habe ich eingesteckt.
    Damit bin ich ausreichend auf das Gespräch vorbereitet.
    Und auch der Pager mit dem blinkenden Lämpchen ist da. Endlich – Dick hat sich

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