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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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weit, weit über dir blinken die Sterne … und dann zwingt dein manipuliertes Unterbewusstsein deinen Körper, sich zu krümmen. Lässt sich das Herz eigentlich durch pure Willensanstrengung zum Stehen bringen? Lässt sich ein katatonischer Krampf heraufbeschwören? Falls du ein Yogi oder ein Mensch mit langer Praxis in Autosuggestion bist, dann wahrscheinlich schon. Oder falls dich das Deep-Programm hypnotisiert …
    Der Farbsturm legt sich.
    Ich stehe auf.
    Ich bin in der Tiefe .
    Und die Tiefe ist in mir.
    Alles ist wie immer.
    Ich mache einen Schritt durch das kleine Hotelzimmer und sehe auf die Uhr. Mir bleibt jede Menge Zeit, allerdings habe ich auch noch einiges zu erledigen.
    Als ich in den Gang hinaustrete, sehe ich mich mit jener Vorsicht um, die mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen ist. Meine Hand ruht auf dem Revolvergriff.
    Nein, hier ist niemand.
    Auf dem Parkplatz vorm Eingang wartet noch das Motorrad vom Biker auf mich, dieses Standardmodell mit dem simplen Passwort.
    Auf der Straße sind etliche Autos unterwegs. Heute werde ich da schwieriger durchkommen, denn der Revolvermann taugt nicht so gut für den Verkehr wie der Biker.
    Ich fahre zu HLD.
    Da die Server nicht überlastet sind, schaffe ich es am Ende doch recht schnell. Vielleicht sind aber auch irgendwo neue Glasfaserleitungen gelegt worden. Oder der größte Provider ist ausgefallen, sodass all seine User von Deeptown abgeschnitten sind.
    Am Schalter sitzt Galotschka. Sie tut mir schon jetzt leid, denn sie ist eine nette Frau, der es bestimmt nicht leicht fällt, mir mitzuteilen, dass ich gekündigt bin.
    »Hallo … ich bin’s, Leonid«, sage ich, als ich mich zu ihr runterbeuge.
    Sie wird wirklich verlegen. Außerdem macht mein neues Äußeres einen gewissen Eindruck auf sie. Das hat mir gerade noch gefehlt. Aber so ist es ja immer: Da hast du noch einen alten Avatar auf Vorrat und denkst gar nicht daran, dass irgendjemandem
dieses zerknautschte Gesicht, die kalten blauen Augen und die sehnigen Arme gefallen könnten …
    »Leonid … ich muss dir …«
    »Ich ahne schon, was du sagen willst«, falle ich ihr ins Wort.
    »Du bist nicht zur Arbeit gekommen …«
    »Galotschka, ich verstehe das doch. Ich bin sogar nur hier, um offiziell zu kündigen. Dafür muss ich doch sicher irgendwas unterschreiben, oder?«
    Galja nickt schuldbewusst, fast als ob sie mich rausgeschmissen hätte. Sie holt ein Formular heraus und legt es mir vor. Ich überfliege es rasch.
    In Übereinstimmung mit den Punkten 2.1 und 2.4 des Vertrages … Unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz ohne Unterrichtung der Firmenleitung … Sollte das Unternehmen dadurch einen Verlust erlitten haben … Gemäß Punkt 3.7 kann eine Abfindung nur gezahlt werden, wenn …
    Ich unterschreibe und schiebe Galja den Wisch hin. »Das ist schon okay, wirklich«, beteuere ich. »Ich habe es einfach satt, dauernd hier aufzukreuzen.«
    »Hast du einen anderen Job?«, will sie wissen.
    »Oh … ich komme ganz bestimmt klar.« Ein Lächeln kriecht auf mein Gesicht. Mein Helm ist nicht so intelligent wie die neuesten Modelle, die deine Mimik reproduzieren können. Ich habe nur meine Finger, die über die Tastatur eilen und damit das Symbol des Lächelns auf das gezeichnete Gesicht zaubern. Aber vielleicht ist es besser so, denn so kann ich lachen – auch wenn ich weine.
    »Viel Glück, Leonid.«
    »Dir auch, Galja.«
    Ich beuge mich vor und gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
    Damit dürfte ich alle Formalitäten erledigt haben – und könnte mich endlich an die Arbeit machen.
    »Sieh lieber nach, ob du noch was im Spind hast.« Galja lächelt. Anscheinend ist sie zufrieden, dass alles so glattgegangen ist. Ich bin nicht sauer auf sie, wir bleiben Freunde, sie hat meine Unterschrift …
    »Mach ich.«
    Ich gehe zu meinem Spind. Das hätte ich sowieso getan. Doch nicht wegen meiner Sachen, die können mir gestohlen bleiben. Nein – ich müsste um diese Zeit Ilja in der Umkleide antreffen.
    Richtig.
    Er stopft gerade den Briefträger in den Spind. Sein Gesichtsausdruck verrät mir, dass er wieder durch Deeptown gestreift ist, um das zu finden, was es nicht gibt.
    »Hallo, Ilja.«
    Er sieht mich verständnislos an. Ach ja, klar, diese Persönlichkeit kennt er ja auch noch nicht.
    »Ich bin’s, Leonid.«
    »Oh …«
    Ilja mustert den Revolvermann mit einer gewissen Neugier. »Nicht schlecht«, urteilt er, »nur ein bisschen altmodisch. Sieht aus wie Clint Eastwood.«
    »Ich

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