Der FC Bayern und seine Juden
Sportausübung in den Grenzen des Landes festhalten, wollte man in strenger Durchführung dieses Gedankens alle ausländischen Einflüsse auf das deutsche Sportlerleben unterbinden, der Sport müsste an dieser Inzucht zugrunde gehen.«
Landauer: »Mit weitschauendem Blick…«
Last but not least: der FC Bayern München, wo Kurt Landauer 1919 ein zweites Mal den Vorsitz übernimmt und den Klub schließlich 1932 zum ersten deutschen Meistertitel führen wird. Landauers zweite Amtszeit beginnt im Januar 1919, inmitten der revolutionären Wirren. Der Bayern-Präsident wohnt mit zwei Brüdern (vermutlich Franz und Leo) in einer Wohnung in Schwabing, versorgt von der jungen protestantischen Haushälterin Maria Baumann.
Landauer ist, wie die Macher des Films »Kick it like Kurt« in ihrem Film-Exposé schreiben, »ein lebenslustiger Mensch, Frauen durchaus zugetan, aber eben in erster Linie Präsident des FC Bayern. Heirat und Familiengründung liegen ihm fern.« In München ist Landauer »bekannt wie ein bunter Hund«, berichtet sein Neffe Uri Siegel. An eine »athletische Figur, mehr so tendiert auf einen Gewichtheber als auf einen Fußballer«, und einen »Kavalier der alten Schule (…), tipp topp gekleidet,« erinnert sich Hans Schiefele. Im Stadion habe Landauer »in der ersten Reihe gesessen, im Winter mit einer Pelzmütze und mit einem Pelzkragen im Mantel«.
Schiefele, für die 1. Mannschaft des FC Bayern von 1937 bis 1943 am Ball, von Beruf Journalist im Sport-Ressort der »Süddeutschen Zeitung« und von 1987 bis 2002 Vize-Präsident des Klubs, hat den legendären Vereinsboss schon »als Bub kennengelernt« und »ihn immer bewundert«. Zu dieser Zeit arbeitet Landauer noch als Buchhalter im Familienbetrieb in der Kaufingerstraße 26 (Werbung: »Das erste Haus für Damenmoden«). Seine Spieler versorgt er immer mal wieder mit Textilien.
Das Klischee vom bürgerlichen Juden kann Landauer nur bedingt bedienen. Der Bayern-Boss wird als »bayerisches Urgestein« beschrieben, der die Münchner Lebensart »mit Schweinsbraten und allem« zelebriert habe. Zugleich heißt es aber auch, Landauer sei »überaus ideenreich«, weitblickend«, »akkurat und auf größtmögliche Korrektheit bedacht« gewesen.
Der Bayern-Präsident ist kein gläubiger Jude, geschweige denn Zionist. Für Heike Specht war Kurt Landauer »ein glänzendes Beispiel« jener Münchner Juden, die »sich der Stadt, in der sie lebten, sehr verbunden fühlten. Für viele machte die bayerische Lebensart und Kultur, ja selbst die stolze Abgrenzung gegenüber allem Preußischen einen wichtigen Teil ihres Selbstverständnisses aus. Man liebte die Museen und Theater, die Biergärten und nicht zuletzt die Seen und Berge des Umlandes. Über Jahrzehnte brachten die Juden Münchens, zum Teil sehr erfolgreich, Judentum und Bayerisch-Sein in Einklang.«
Mit Kurt Landauers Rückkehr auf den Präsidentenstuhl brechen für den Klub neue Zeiten an. Man erinnert sich an die Hoffnungen, die man vor dem Weltkrieg an ein Engagement von William J. Townley geknüpft hatte. Ambitionierte Klubs wie der FC Bayern scheren sich nicht um politische Verstimmungen und Feindschaften, Profis wie Townley ebenfalls nicht. Kaum ist der Krieg zu Ende, holt man den britischen Entwicklungshelfer wieder zurück.
Der FC Bayern gibt sich nun ambitionierter denn jemals zuvor. Landauer will an die Spitze des deutschen Fußballs. Investitionen in die Mannschaft haben für ihn vor dem Bau eines eigenen Stadions Vorrang – zum Unverständnis vieler Klubmitglieder.
In diesem Prozess avanciert Kurt Landauer nun zu einem der großen Visionäre und treibenden Kräfte im deutschen Klubfußball. Sein FC Bayern gehört bald zu den fortschrittlichsten Klubs in Deutschland. Damit verbunden sind zum Teil heftige Konflikte mit dem DFB und dessen Konservativismus. Insbesondere in der Profifrage gerät man ein ums andere Mal aneinander. Landauer spricht hier nicht nur für den FC Bayern, sondern agiert auch als »Führer der großen süddeutschen Ligavereine, die in nützlichen Fragen stets immer dem Bayernvorsitzenden die Vertretung gegenüber dem Verband beließen« (»25 Jahre FC Bayern«).
1920 schließt Landauer für seine Spieler eine Unfallversicherung ab, ein erster Schritt in Richtung des von ihm befürworteten Berufsfußballs. Für Landauer sind die Spieler »Angestellte«, die ihren Lebensunterhalt mit Fußball verdienen und deshalb angemessen zu bezahlen sind.
In der Festschrift zum
Weitere Kostenlose Bücher