Der FC Bayern und seine Juden
Fußball-Club, der Pate des FC Bayern, 1922 sein schmuckes Möslestadion ein, das heute dem Lokalrivalen und Bundesligisten SC Freiburg als Jugendinternat und Spielort für die Nachwuchs- und Frauenteams dient. Die Spielstätte ist für 30.000 Zuschauer ausgelegt und kostet den FFC eine halbe Million Mark. Ermöglicht wird der Bau durch – wie ein zeitnaher FC-Chronist berichtet – »valutastarke Vereinsmitglieder aus New York«. Gemeint sind Gus Manning und Josef Pollack, die jüdischen Mitbegründer des FC Freiburg bzw. des FC Bayern.
Am 26. Juni 1922 hatte die Städtische Sparkasse Freiburg dem FFC den Betrag von 300.000 RM für den Stadionbau geliehen. Am 1. Juli 1923 übernimmt Josef Pollack die Grundschuld in voller Höhe auf seinen Namen. Hierfür lässt er sich im Grundbuch eine Sicherungshypothek in Höhe von einer Million Mark eintragen. Als der Klub weder Schulden tilgen noch Zinsen zahlen kann, begibt sich im April 1925 eine zweiköpfige Delegation des FFC auf eine lange Schiffsreise in die USA. An Bord sind der FFC-Vorsitzende Prof. Emil Schmidt, Lehrer der Rotteck-Oberrealschule, und der weltgewandte Freiburger Verleger Eduard Poppen. Mit einer vorbereiteten Streichbewilligung des Freiburger Grundbuchamtes im Gepäck wollen Schmidt und Poppen in New York Gus Manning und den mittlerweile sehr wohlhabenden Josef Pollack treffen.
Eduard Poppen notiert in seinen Lebenserinnerungen: »Am Samstagnachmittag 4.00 Uhr bestiegen wir den Express, um direkt nach New York zurückzufahren. Wir folgten der Einladung des Herrn Pollack, eines Mitbegründers des FFC, der uns zum Bau unseres herr lichen Stadions am ›Mösle‹ in Freiburg eine größere Summe vorgestreckt hatte. Pollack ist heute noch Sportmann durch und durch. Herr Dr. Manning, der Präsident des Amerikanischen Fußball-Verbandes, holte uns um 9 Uhr im Hotel ab. Wir fuhren durch New York und hielten weit draußen von New York in einem Klubhaus, wo Freund Pollack dem Golf huldigte. Wir fuhren zusammen in sein Landhaus nach White Plains, wo die verehrte Hausfrau ein deutsches Mittagessen (Gans mit Sauerkraut und echtem Rheinwein) für uns bereitet hatte.« Pollack, der »in ausgezeichneter Stimmung« ist (Poppen), setzt seine Unterschrift unter die Streichbewilligung und verzichtet auf die Rückzahlung der 300.000 Mark samt aufgelaufener Zinsen. Die Sicherungshypothek mit 1.000.000 Mark wird ebenfalls gelöscht. Der Zweck der langen Schiffsreise ist damit erfüllt: Der FFC ist schuldenfrei.
1935 werden die Nazis dem FFC das mit dem Geld eines jüdischen Bürgers gebaute Mösle-Stadion wegnehmen. Als Begründung dienen Schulden in Höhe von angeblich 45.000 Mark.
Ideologen
»Sport ohne Glanz« überschreibt Christiane Eisenberg in ihrem Klassiker »English Sports und deutsche Bürger« das Kapitel über die Vorherrschaft des Amateurismus in den frühen 1920er Jahren. Nach dem Ersten Weltkrieg habe sich der Amateurgedanke als »neuer Sinnstifter« erwiesen. »Für diese spezifisch englische Idee hatte in Deutschland vor 1914 kaum jemand Verständnis aufgebracht. (…) Mit Bekanntwerden des Versailler Vertrages wurde der Amateurgedanke jedoch in der Öffentlichkeit politisch überhöht und gewann an Boden. Im Interesse der ›Wehrkraft‹ und der ›Volksgesundheit‹ komme es darauf an, die ›Mas-sen‹ dazu zu bringen, sich selbst aktiv sportlich zu betätigen, lautete das Argument, und das sei nur zu erreichen, wenn die beträchtlichen Einnahmen aus Eintrittsgebühren nicht eigennützigen Unternehmen, sondern den Vereinen zugute kämen. Der dem Geld widerstehende Amateurathlet avancierte in dieser Situation zum zivilen Pendant des von den Freiheitskämpfern glorifizierten Kriegshelden. In seiner ›Persönlichkeit‹ vereinigte er angeblich dieselben Eigenschaften, die auch schon den idealtypischen Sportsmann des 19. Jahrhunderts ausgezeichnet hatten: Er war dynamisch, erfolgsorientiert, selbstdiszipliniert und risikofreudig, durchaus auch rücksichtslos, kurz: ein jeder Situation gewachsener ›Herrenmensch‹, natürlich männlichen Geschlechts. Anders als sein Vorgänger war der Amateurathlet jedoch zugleich selbstlos und ›opferfähig‹ für die Vereinsgemeinschaft und für das Vaterland. Dieses Sportverständnis, dem die englischen Tugenden ›fairness‹ und ›disinterestedness‹ nach wie vor fremd waren, teilten auch die Wehrverbände und der sozialdemokratische Arbeiter-Turn- und Sportbund. Während Erstere das Amateurideal mit dem
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