Der FC Bayern und seine Juden
Langemarckmythos verknüpften, wandten sich Letztere – wie schon im Kaiserreich – gegen ›Materialismus‹ und ›kapitalistische Ausbeutung‹.«
Ambitionierte Klubs wie der FC Bayern waren ganz auf den Sport ausgerichtet und empfanden dessen Ideologisierung und Instrumentalisierung als hinderlich für die eigene Entwicklung. Dies galt auch für den Lokalrivalen FC Wacker, der sich mit dem FC Bayern gewissermaßen einen lokalen Professionalisierungswettlauf lieferte.
Mit Kurt Landauer und dem Wackeraner Albert Bauer kommen zwei der profiliertesten Kritiker der engstirnigen und realitätsfernen Amateurbestimmungen des DFB aus München. Diese Regeln erlauben lediglich einen Spesensatz von 3,50 Mark pro Spiel, und die Erstattung von Lohnausfällen ist strikt untersagt.
Nicht jeder Kritiker will den »schrankenlosen« Berufsfußball. Häufig geht es nur um eine Lockerung der Bestimmungen, um ihre Anpassung an die Realität, mit dem erklärten Ziel, den Übergang zum »echten« Professionalismus gerade zu verhindern.
Jagdszenen
Die DFB-Führung wird hingegen von beinharten Verfechtern eines ideologisch überhöhten Amateurideals geführt. Die Profidebatte zwischen Verband und Klub ist auch Teil eines Ringens um die Hegemonie im deutschen Fußball, das bis heute andauert. Dass der FC Bayern hier weiterhin tonangebend ist, entspringt gewissermaßen seiner Geschichte.
Während Österreich (1924), die Tschechoslowakei (1925), Ungarn (1926), Italien (1926), Spanien (1928) und Frankreich (1933) binnen zehn Jahren den Berufsfußball legalisieren, beschreitet Deutschland einen Sonderweg und hält eisern am Amateurismus fest.
Im Sommer 1920 kommt es zu einer ersten großen Auseinandersetzung, als die Berliner Unternehmer Otto und Ernst Eidinger mit ungarischen und deutschen Spitzenfußballern eine Profitournee planen. Die als »Budapest Ramblers« firmierende Truppe der Ungarn wird vom MTKler Gyula Feldmann geleitet. In ihren Reihen stehen u.a. die Nationalspieler Ferenc Plattkó, der später das Tor des FC Barcelona hüten wird, Alexander Neufeld alias Sándor Nemes, Jószef Ging, Jószef Jeszmas, Jószef Viola, Jószef Fogl und Károly Fogl. Der Gegner, die »Erste Deutsche Berufsspielermannschaft«, besteht vorwiegend aus »Ungarn, die in Deutschland herumlungern«, wie die Zeitschrift »Fußball« abfällig bemerkt. Die Ausnahme bildet der Brauereiarbeiter Fritz »Raupe« Bache von Hertha BSC Berlin, der später zwei Spiele im deutschen Nationaltrikot bestreiten wird.
Die Tournee stößt aber auf ein nur mäßiges Zuschauerinteresse, gerät zum finanziellen Fiasko und muss nach drei Spielen abgebrochen werden. Der DFB hatte schwerstes Geschütz aufgefahren. Mit starken Worten wurde nicht gespart. Der spätere DFB-Präsident Felix Linnemann brandmarkte das Projekt der Gebrüder Eidinger als »Krankheitsstoff«, der geeignet sei, dem »Volkssport als solchem das Lebenslicht auszublasen«. Der »Fußball« entdeckte »Eiter, der am ganzen Körper wuchert«.
Zu den ersten Opfern der Jagd auf die Profis gehört auch der spätere Bundestrainer Sepp Herberger. Ende 1921 wechselt der Mannheimer Herberger vom »Arbeiterverein« SV Waldhof, der sich maßgeblich aus Mitarbeitern der Waldhofer Spiegelfabrik rekrutiert, zu Phoenix 07 Mannheim. Herberger kassiert dabei 10.000 Mark, aber die Zusage für eine Trainerausbildung wird nicht eingehalten. So gelingt es dem jüdischen Mäzen Max Rath, den jungen Nationalspieler zum »bürgerlichen« VfR zu locken. Die erbosten Phoenix-Funktionäre erstatten nun beim Verband Selbstanzeige wegen der verbotenen Geldzahlung. Obwohl Herberger das Geld zurückgibt, erklärt ihn der DFB zum Berufsspieler und verhängt eine lebenslange Sperre.
Max Rath lässt Herberger mit seiner Ehefrau Eva mietfrei in einem seiner Häuser wohnen. Der VfR vermittelt ihm eine Stelle bei der Dresdener Bank. Abends trainiert er mit dem VfR-Kader, außerdem betreut er Jugendmannschaften des Klubs. Am 26. März 1922 wird die drastische Strafe in einer Berufungsverhandlung auf ein Jahr reduziert.
DFB kontra FC Bayern
Im Februar 1925 holt der DFB zu einem weiteren Schlag gegen den Berufsfußball aus. In Hannover beschließt der Vorstand nicht nur die Ablehnung des Profisports »für alle Zukunft«, sondern schränkt auch den Spielverkehr mit ausländischen Profiteams stark ein. Außerdem müssen ausländische Kicker, die in Deutschland spielen wollen, zunächst einmal eine einjährige Sperre absitzen, »um
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