Der FC Bayern und seine Juden
wusste, was folgt: aber alle stellten sich so, dass sie in erfolgversprechender Position den Ball aufnehmen konnten. Und wenn einer seinen Pass gemacht hatte, dann blieb er nicht stehen, sondern suchte sich sofort einen neuen Platz aus. Mit dieser Spielweise erzwangen die Bayern in den ersten 30 Minuten der zweiten Hälfte eine erdrückende Überlegenheit.«
Der Berichterstatter des Fachblatts »Fußball« ist sich sicher: »Mit den Bayern ist die beste Mannschaft Deutschlands Meister geworden! Die im entscheidenden Moment beste deutsche Mannschaft. (…) Das Ende war ein Meer von Jubel, ein Beifall, wie er zuvor wohl nur einmal von einem unbeteiligten Publikum einem deutschen Meister dargeboten wurde: 1926 der Spielvereinigung Fürth gegen Hertha BSC Berlin im Frankfurter Stadion.«
München feiert
Schon kurz nach dem Abpfiff treffen die ersten Glückwunschtelegramme ein. Aus München gratuliert Oberbürgermeister Dr. Karl Scharnagl, aus Wien Verbandskapitän Hugo Meisl und aus Zürich Bayerns ehemaliger Trainer Izidor »Dori« Kürschner.
Abends absolvieren die Spieler zunächst das offizielle Bankett, bevor sie sich in die vom Nürnberger Keeper und Rekordnationalspieler Heiner Stuhlfauth betriebene »Selbaldusklause« absetzen. Die Bayern-Leitung folgt, nachdem die letzten Repräsentationspflichten erledigt sind. Zwischenzeitlich schleppt Siegfried Herrmann die schwere Meistertrophäe »Viktoria« ins Mannschaftshotel. Dort zieht man der »Vicky«, wie die Spieler das Ungetüm taufen, Landauers Nachthemd über und legt sie ins Präsidenten-Bett.
Einen Tag später bereitet München der Meisterelf einen triumphalen Empfang. Zehntausende stehen Spalier, als die Mannschaft vom Südbau des Hauptbahnhofes über den Stachus durch die Neuhauser-und Kaufingerstraße zum Marienplatz zieht. Als Transportmittel hat man einen Kutschentyp namens »Landauer« gewählt.
Die Tour endet im Rathaus, wo die Stadt München im großen Sitzungssaal einen offiziellen Empfang ausrichtet. Der »Kicker«: »Mit herzlichen Worten begrüßte und beglückwünschte Dr. Karl Scharnagl den Deutschen Meister, mit dem Wunsche, dass der ruhmreiche und ehrenvolle Erfolg der Bayern richtunggebend für die sportliche Entwicklung Münchens und gleichzeitig als nachahmenswertes Vorbild an Fairness weitere Früchte tragen möge. Landauers Antwort war ein kleines Meisterwerk der Rhetorik. Selbstsicher und doch bescheiden dankte er der Stadt und ihrem Oberhaupt für den überaus herzlichen Empfang und gab das Versprechen ab, dass der FC Bayern getreu seiner bisherigen Tradition auch weiterhin bestrebt sein werde, das Prinzip zu wahren, das lautet: lieber anständig verlieren, als unter Missachtung der Gesetze sportlichen Anstandes zu gewinnen.«
Die Meisterschaftsfeier findet im völlig überfüllten Löwenbräukeller statt. Namhafte Volkssänger und Humoristen treten auf, so auch Weiß Ferdl, der sein Publikum längst auch mit antisemitischen »Späßen« erfreut: »Der Cohn und die Sarah / fahr’n im Auto dahin / Vorn stinkt’s nach Knoblauch / und hinten nach Benzin.« Auf der Meisterschaftsfeier des FC Bayern begnügt er sich mit einer Umdichtung seines Schlagers »Und unser Fähnlein ist weiß und blau.«
Anders als sein Kollege Karl Valentin, der komplett auf antisemitische Witzeleien verzichtet und eine Abneigung gegen Hitler hegt, wird Weiß Ferdl der nationalsozialistischen Versuchung nicht widerstehen und deren Machtübernahme zum Karrieresprung nutzen. Schon früh gibt er sich als Sympathisant der braunen Bewegung zu erkennen und pflegt den Umgang mit Münchner Parteigrößen. Der lokale Held avanciert zu einem in ganz Deutschland berühmten Star. Der NSDAP tritt Weiß Ferdl allerdings erst 1940 bei. Während der Kriegsjahre eckt er mit seinem Humor zuweilen bei den Oberen an.
Der zweite Bühnenstar des Abends ist der Mundartdichter und »Krügelredner« Michl Ehbauer, von der Bayern-Chronik zum »Haushumoristen« des Klubs gekürt. Ehbauers literarisches Hauptwerk ist die in zahlreichen Auflagen erschienene »Baierische Weltgschicht«, eine in Versform erzählte biblische Geschichte der Welt als eine von Bayern dominierte Angelegenheit. (Sein Sohn, der Arzt Michael Ehbauer, schreibt die »Weltgschicht« später fort.) Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Ehbauer mit Karl Peukert das Komikerduo »Frauenturmgeister« bilden und Missstände in München und Bayern anprangern.
Oberbürgermeister Scharnagl bekommt von Kurt Landauer ein
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